01 Feb 2017

Schwächelnder Schwarzmarkt

In die aktuelle Diskussion um Antibiotikamissbrauch, Betrug und laxe Kontrollen in der Nutztierhaltung, haben sich jetzt die beiden Professoren Oliver Mußhoff und Norbert Hirschauer mit einem lesenswerten Beitrag auf top agrar online eingebracht.

Sie schreiben u. a. es bestünde wohl Einigkeit, „dass es in einem gewissen Umfang „schwarze Schafe“ und damit Regelverstöße unter den Landwirten gibt“ – und haben damit zweifellos Recht. Die beiden Wissenschaftler fordern deshalb „die ggf. unterschiedlichen Einschätzungen zum Umfang des Problems“ konkret zu benennen und „die entsprechenden empirischen Hinweise und Belege auf den Tisch“ zu legen.

Während der Göttinger Diskussion am 23. Januar konnte Herr Prof. Spiller keine Belege für verbreiteten Missbrauch von oder einen Schwarzmarkt für Antibiotika präsentieren, sondern berief sich auf eigene „Gespräche beim Bier“, mit einer ungenannten Anzahl Bauern.

Seit 2007 beschäftige ich mich selbst mit Fragen der Tiergesundheit und Nutztierhaltung, seit einem Besuch in den Niederlanden im Jahr 2009 auch mit Nutzen und Risiken des Antibiotikaeinsatzes. Seitdem sind einige Hundert Berichte entstanden, vor allem Interviews mit praktizierenden Tierärzten, Wissenschaftlern und Landwirten. Auf Fortbildungsveranstaltungen für Tierärzte, bei Betriebsbesuchen und in zahlreichen Diskussionsrunden, habe ich vermutlich an die 1.000 Gespräche geführt. Und fast unvermeidlich ging es dabei auch um die vielfältigen Probleme in der Nutztierhaltung.

Insbesondere während der Recherche zum Thema Antibiotika, wurden mir interessante und teils erschreckende Dinge zugetragen, von denen sich allerdings die wenigsten verifizieren lassen. Auch wenn sie häufig glaubhaft klangen.

Als gesichert darf allerdings gelten, dass es 2014 in den Niederlanden mehrere Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gegen Antibiotika-Schieber gab. Auch die Existenz eines entsprechenden Schwarzmarkts z. B. in Dänemark streitet kein Insider ab, wie Andreas Palzer bereits 2015 im Interview ausführte. Die FAO schließlich liefert für jeden, der rezeptfrei Medikamente aus östlichen Nachbarländern importieren möchte, sogar „Einkaufstipps“.

Allein die Lebenserfahrung gebietet, von weinigen dokumentierten Fällen auf eine höhere Dunkelziffer zu schließen. Den Anteil von Betrügern unter Deutschlands Tierhaltern aber auch nur zu schätzen, wäre hochgradig unseriös. Für sinnvoll halte ich dagegen, über Gefahren der reinen Mengenreduzierung von Antibiotika zu diskutieren. Wer die Reduzierung ad Infinitum fordert, kann sich leicht selbst ausrechnen, wann der Nullwert allgemein erreicht sein müsste.

Dass solch platte Strategien nicht für mehr Tiergesundheit und Tierwohl sorgen, sondern gerade einzelne Landwirte mit illegalen Mitteln liebäugeln lässt, zeigt sich bei unseren dänischen Nachbarn. Deren Sprache ist seit einigen Jahren um den Begriff der „Erdapotheke“ reicher.

[zum Anfang]