16 Nov 2020

„Iss nichts, was deine Urgroßmutter nicht als Essen erkennen würde“

rät der Amerikaner Michael Pollan und glaubt, wir lebten dann gesünder, denn „früher“ war definitionsgemäß immer alles besser. Tatsächlich bezieht er sich aber auf eine Vergangenheit, die es nie gab. Mit rein natürlichen und ach so gesunden Lebensmitteln, ganz ohne die bösen Zusatzstoffe. Tatsächlich war Ende des 19. Jhd. Industriefarbe bei Konditoren sehr beliebt, weil schon kleinste Mengen den Kuchen noch viel gelber machten, als der teure Safran.

Aber zurück zur Ur-Oma, für die sich Pollan ebenso stark macht, wie für regionale Küche. Denn sonst würde ja jede beliebige Urgroßmutter den Maßstab setzen, also z. B. auch eine chinesische, die gerne Baumschwämme, frittierte Qualle oder gesottene Fledermaus aß. An derlei Leckereien dachte der Amerikaner aber vermutlich eher nicht.

Die Zutaten moderner amerikanische Küche hätte seine Ur-Ahnin jedoch mühelos erkannt, denn die waren alle schon vor ihrer Zeit erfunden:

Brötchen 391 v. Chr. (in der Gegend von Boston),
Hackfleisch 13. Jhd. (von den Tataren),
Gewürzgurken 1600 (die Slawen),
Mayonnaise 1756 (Marschall Richelieu die Mayonnaise),
Ketchup 1812 (in den USA).

Mit Zwiebeln, Tomaten und Salat wird – wir haben es geahnt – seit 1900 ein Hamburger daraus. Sollte die verehrte Dame den Beginn des 20. Jahrhunderts allerdings nicht mehr erlebt haben, täte es auch ein Hotdog. Der wurde nämich erstmals 1867 in Brooklyn angeboten.

Wir können also dem Rat des Mr. Pollan getrost folgen und weiterhin im „Gasthaus zur Möve“ einkehren. Verzichten müssen wir in Zukunft allerdings auf Chia-Samen, Goji-Beeren und Tofu. Sowas kannte auch meine Urgroßmutter auf gar keinen Fall!

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