Gestern feierte der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) mit rund 300 nationalen und internationalen Gästen aus Tierärzteschaft, Politik und Wirtschaft im historischen Kaisersaal des Frankfurter Römers sein 100-jähriges Bestehen. Bürgermeister Uwe Becker hieß die Gäste willkommen und überbrachte die Grüße der Stadt Frankfurt. Er zeigte sich erfreut, dass der bpt in Frankfurt ansässig ist und auch künftig bleiben wird. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz nahmen das Jubiläum zum Anlass, das Engagement des Verbands zu würdigen und aktuelle Herausforderungen anzusprechen. Schauspieler und Kabarettist Michael Quast unterhielt die Gäste mit einem launigen Rückblick auf 100 Jahre tierärztliche Tätigkeit.
„Schwierige Zeiten waren das damals 1919 für unsere Praktikerkollegen, aber ich glaube, Felix Train, der Gründungsvater des Reichsverbands Praktischer Tierärzte (RPT), wäre auf seinen Nachfolgerverband, unseren heutigen Bundesverband, stolz“, hob bpt-Präsident Dr. Siegfried Moder in seiner Ansprache hervor. Die Gründung des RPT habe schließlich entscheidend dazu beigetragen, dass Nutztier- und Kleintiermedizin heute Wachstumsmärkte mit guten Zukunftsperspektiven seien und der Tierarzt der mit Abstand am besten ausgebildete Akteur in der Lebensmittelkette.
„Lebensmittel in Deutschland sind heute so sicher und Tiere so gesund wie niemals zuvor. Auch der Tierschutz hatte noch nie einen so hohen Stellenwert wie heute. Das ist zu großen Teilen der Arbeit der praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte und damit auch den Bemühungen unseres Verbands zu verdanken“, so Moder. Mit Blick auf den Tierschutz mache er sich allerdings Sorgen. Ganz akut stünde nämlich die flächendeckende tierärztliche Notdienstversorgung von Nutz- und Kleintieren auf der Kippe. Das starre Arbeitszeitgesetzes trage Schuld daran, dass massenhaft tierärztliche Kliniken den 24/7-Notdienst aufgäben, ganz zu schweigen vom langsamen und oft lautlosen Sterben der Landtierarztpraxen. Mit rasender Geschwindigkeit werde gerade eine über einhundert Jahre gewachsene und bewährte Struktur zerstört. Dagegen müsse dringend etwas unternommen werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner griff das Thema in ihrer Festrede auf und sicherte ihre Unterstützung bei der Problemlösung zu. Am Beispiel der Haltung von Pferden als Nutztiere im landwirtschaftlichen Betrieb in den 1950er Jahren und deren Verdrängung durch die Mechanisierung zeigte die Ministerin auf, wie sich das Berufsbild der Tierärzte verändert hat. „Hunde und Katzen wurden mehr und mehr zu Familienmitgliedern, denen dann auch eine intensive tiermedizinische Betreuung zuteilwurde. Dieser Trend hat bis heute angehalten. Die Kleintiermedizin ist zur wichtigsten Säule Ihres Berufsstandes geworden“, erläuterte Klöckner. Gleichzeitig richtete sie ihren Blick auf die Zukunft tierärztlicher Tätigkeit: „Die zunehmende Digitalisierung im Stall wird auch für den Tierarzt direkte Auswirkungen haben. Neue Diagnostikmethoden zur Erfassung von Gesundheitsparametern als frühzeitiger Indikator von Krankheiten werden zur Verfügung stehen und damit wird ein frühes tiermedizinisches Eingreifen wahrscheinlicher. Prophylaxe statt Therapie könnte Wirklichkeit werden.“ Die Bundesministerin dankte dem Verband ausdrücklich für die vertrauensvolle, sehr fachliche und belastbare Zusammenarbeit mit ihrem Ministerium.
Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz dankte den Verbandsmitgliedern für ihren Einsatz und ihr Engagement: „Tierärztinnen und Tierärzte leisten mit ihrer täglichen Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung und zum Wohlergehen der Tiere. Der bpt ist seit Ende 2018 außerdem Mitglied am Runden Tisch Tierwohl in Hessen, um gemeinsam mit landwirtschaftlichen Verbänden, Tierschutzorganisationen sowie Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft und der Verwaltung, die Bedingungen für landwirtschaftliche Nutztiere in Hessen zu verbessern. Beim Runden Tisch konnten wir beispielsweise eine bundesweit einmalige Selbstverpflichtung für weniger Antibiotika bei Milchkühen vereinbaren. Darüber hinaus engagiert sich der Verband im Stiftungsrat der Tierschutzstiftung zur Förderung von Tierheimen. Hierfür spreche ich Ihnen heute meinen besonderen Dank aus!“
Ein besonderes Highlight bot der Rückblick von Schauspieler und Kabarettist Michael Quast auf 100 Jahre tierärztliche Tätigkeit. Im Gewand des Prof. Dr. J. Ruffus referierte Quast zum Thema „Von der Oeconomia ruralis zum Kompetenzkreis Tierwohl – Tierärztliche Praxis im Wandel der Zeiten“ und erntete damit tosenden Applaus: „Dinosaurier sind nie zum Tierarzt gegangen. Und was war die Folge? Tatsächlich musste das Tierreich mehrere hundert Millionen Jahre ohne Ihre Fürsorge zurechtkommen – mit teilweise verheerenden Konsequenzen.“
Konsequenzen, die Verbandspräsident Moder mit Blick auf die aktuellen Probleme nicht wiederholt wissen möchte.
Quelle: Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.