Zwischen Weltmarkt und kritischer Bevölkerung: Wer finanziert mehr Tierwohl? #Expertise2018
Prof. Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Instituts, stellte anlässlich der „Expertise 2018“ sein Konzept für eine konsensfähige Nutztierhaltung vor. Prinzipiell gäbe es zwei Szenarien, um ans Ziel zu gelangen: den „schwedischen Weg“ über staatlich verordnete höhere Haltungs-Standards oder das Modell „Druck und Sog“, bestehend aus gesetzlichen Vorgaben und finanziellen Hilfen.
Für Isermeyer ist entscheidend, zunächst verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen und – über einen Zeitraum von 20 Jahren – eine Roadmap für den Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung zu entwickeln. Dies könne nur gelingen, wenn Bund, Länder und Bauernverband dazu beitrügen, gemeinsam mit „gemäßigten“ NGOs, Umwelt- und Tierschützern.
Zusammen müssten „Zielbilder“ definiert werden. Diese dürften allerdings nicht starr sein, sondern sollten, im Laufe der Zeit, ständigem Feintuning unterliegen. Hierzu könnten etwa drei verschiedene Stallmodelle in der Praxis getestet werden und Wissenschaftler, Praktiker und NGOs sich zu gemeinsamem Lernen verpflichten.
Auch zur Finanzierung deutlich höherer Standards hat sich der Agrarökonom Gedanken gemacht. Die bisherige Investitionsförderung solle beibehalten und zusätzlich € 5 Mrd. jährlich an Prämien für den laufenden Betrieb ausgeschüttet werden. Um solch beachtliche Summen zu generieren, plädiert Isermeyer für die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte auf 19 %. Dies brächte € 6 Mrd. zusätzliche Staatseinnahmen pro Jahr, von denen € 1 Mrd. zur Unterstützung finanziell schlechter gestellter Verbraucher verwandt werden müssten.
Unter dem Strich um etwa 10-12 % höhere Verkaufspreise, seien für den Durchschnitts-Konsumenten verkraftbar. Insbesondere bei gleichzeitig vielleicht 5% geringerem Fleischkonsum, dessen derzeitige Höhe ja ohnehin in der Kritik stehe. So würde nicht nur für die Tiere, sondern auch etwas für die menschliche Gesundheit, die Umwelt und die CO2-Bilanz getan.
Prämien für Nutztierhalter sollen nach den Vorstellungen des Thünen-Präsidenten gezahlt werden, abhängig von Verbesserungen in Tierhaltung und Tiergesundheit, zu deren Validierung auch Schlachtbefunde einbezogen werden müssten. Eine unabhängige Monitoring-Stelle solle die Öffentlichkeit über Fortschritte in Richtung „Zielbild“ informieren. Und schließlich würde sogar in den heutigen Schwerpunktregionen der Viehhaltung, über ein deutlich erhöhtes Platzangebot pro Tier, die Gesamtzahl an Nutztieren verringert.
Hintergrund „Expertise 2018“:
Auf Einladung der MSD Tiergesundheit hatten 600 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Ende Oktober über zwei Tage Gelegenheit aus Vorträgen von 38 Referenten aus dem In- und Ausland zu wählen. Drei Themenblöcke (Rind, Schwein, allgemeine Themen) wurden parallel angeboten. Eine Podiumsdiskussion, eine Posterausstellung mit 20 wissenschaftliche MSD AH Veröffentlichungen aus den letzten beiden Jahren (originalveröffentlicht auf den internationalen Rinder- und Schweinekongressen) sowie eine kleine Industrieausstellung der MSD Tiergesundheit mit Beteiligung von Henke Sass Wolf,