12 Jun 2016

Wer ist wütender?

Wer ist wütender? Journalisten die pauschal der Lügenpresse zugeordnet werden oder Bauern, die pauschal als Brunnenvergifter bezeichnet werden?

Wer ist den immer gleichen Vorwürfen stärker ausgesetzt? „Die Presse“ anlässlich täglicher Pegida-Demonstrationen und Facebook-Schmähungen oder „die Landwirtschaft“ in täglichen Medienbeiträgen und NGO-Kampagnen?

„Die Landwirte“ pauschal in Schutz zu nehmen, wäre mehr als leichtsinnig. Es gibt genügend schwarze, hell- und dunkelgraue Schafe und reichlich Schwachpunkte im Stall und auf dem Acker.

In Zeiten des digitalen Journalismus ersetzten aber auch Copy & Paste nur allzu oft die simpelste Recherche. Nicht nur dümmliche Illustrationen zum Thema Glyphosat und die Blitzkarriere des herbizids als „Düngemittel“ belegen das eindrücklich.

In der guten alten Zeit analoger Kommunikation war eine Eskalation, wie wir sie aktuell erleben, undenkbar. Kaum ein Bauer las mehr als sein Heimatblättchen und kaum ein Redakteur erhielt mehr als zwei Leserbriefe im Monat. Die Zeitung berichtete eher über die Goldene Hochzeit auf dem Bauernhof, als über dessen Schweinehaltung. Und kritische Leserbriefe wurden nicht veröffentlicht, sondern wanderten schlicht in den Papierkorb.

In Zeiten des digitalen Networkings bekommt aber jeder Bauer täglich eine Presseschau, deren Umfang alles in den Schatten stellt, was sich vor 20 Jahren höchstens der „Spiegel“ leisten konnte. Jeder Landwirt ist so dem medialen Dauerfeuer ungleich stärker ausgesetzt, als dies früher überhaupt vorstellbar war.

Andererseits müssen Journalisten, nicht nur wenn sie über Landwirtschaft schreiben, mit heftigsten Reaktionen auf seine Arbeit rechnen. Fachliche und sachliche Kommentare werden nur allzu oft und schnell von Schmähungen überdeckt. Und das auch noch in aller Öffentlichkeit.

Die Frage „Wer ist wütender?“ hat sich damit eigentlich erledigt. Die Gemütslage beider Seiten ist sich ebenso ähnlich, wie die öffentlich gezeichneten Bilder beider Berufsgruppen. Offen bleibt aber die alles entscheidende Frage: „Wie gelingt ein konstruktiver Dialog?“

PS: Wer diesen Kommentar mit seinem Auslöser vergleichen möchte, findet den entsprechenden FAZ-Artikel hier.

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