02 Sep 2016

Wer gibt der Zukunft ein Zuhause?

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ sagte Niels Bohr. Weil sich aber Unternehmer notgedrungen Gedanken um die Zukunft machen müssen, haben Deutschlands Nutztierhalter aktuell reichlich Stoff zum Nachdenken.

Wer einfach die Vergangenheit fortschreibt, liegt bei der Wettervorhersage häufig richtig: „Das Wetter wird morgen wie es heute war“ hat eine Trefferwahrscheinlichkeit von über 50%. Auf die Nutzierhaltung gemünzt hieße das: „Der Strukturwandel wird sich weiter fortsetzen“ – aber damit wäre die Grenze zwischen Prognostik und Binsenweisheit schon überschritten.

Nehmen wir den Fleischmarkt: Der Siegeszug der Veganer findet vor allem medial statt und Bio boomt prozentual ganz prächtig, erreicht aber nominal nicht mal 2 % Marktanteil. Exotische Angebote wie das „Schweine-Leasing“, bewegen sich nur knapp oberhalb der Nachweisgrenze und können damit getrost vernachlässigt werden (auch wenn die Glücklichen, denen eine solche Vermarktung gelingt, traumhafte Erlöse erzielen).

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Fleisch sank im letzten Jahr auf 59,2 kg, d. h. um 100 Gramm im Monat oder drei Scheiben Wurst die Woche. Weil jedoch der Anteil körperlich arbeitender Menschen weiter abnehmen wird, dürfte der Verbrauch in Zukunft weiter sinken und sich bei schätzungsweise 55 kg pro Kopf einpendeln. Wegen der steigenden Anteile von Alten und Muslimen, wird Geflügel dabei gewinnen und Schwein verlieren.

Die Erlös-Täler beim Schweinefleisch werden immer länger und Ferkelerzeuger wie Mäster werden in immer kürzeren Hochpreis-Phasen ausreichende Rücklagen bilden müssen. Das wird in Zukunft immer weniger Bauern gelingen und einige werden es sich auch nicht mehr antun wollen. Last but not least gefällt „dem Verbraucher“ die konventionelle Tierhaltung nicht mehr, so dass z. B. DLG-Präsident Bartmer rät, besser zu „differenzieren statt zu wachsen“.

Bei aller Differenzierung jedoch sollen in Zukunft sämtliche Schweine ihren Ringelschwanz und alle Hühner die scharfen Schnäbel behalten. Auch dürfen Eber künftig nur noch unter Betäubung und Schmerzausschaltung kastriert werden und mit einer Putenhaltungsverordnung und dem freiem Abferkeln stehen bereits die nächsten Punkte auf der Agenda. Beobachtungs- und Betreuungsaufwand steigen also um ein Mehrfaches und damit natürlich die Kosten der Erzeuger.

Das wissen auch die marktbeherrschenden Handelskonzerne, die schon bei der Initiative Tierwohl ihre Großzügigkeit unter Beweis stellen konnten. Die Zukunft gehört deshalb dem Marken-Fleisch! Dafür bekommt der Landwirt dann 50 Cent pro Kilo oben drauf und der Verbraucher zahlt gerne einen Euro mehr. Die Sache hat allerdings einen Haken, denn der LEH schätzt das entsprechende Käuferpotential nur auf 20 bis 25%.

Und er Rest vom Schwein? Der heißt natürlich weiterhin JA! und bedient die „preissensiblen“ Konsumenten. Und weil auch der Handel selbst eher sensibel ist, wenn es um seinen Einkauf geht, darf man gespannt sein wie viele deutsche Schweine-, Hühner-, Rinderhalter für dieses 75%-Segment noch werden arbeiten können. Es herrscht schließlich kein Mangel an Ersatzlieferanten, wenn ein deutscher Landwirt seinen optimierten Tierwohl-Stall ein für alle Mal abschließt.

Spanier und Südamerikaner arbeiten unverdrossen nach dem Prinzip „Arbeitszeitoptimierung“ und wären sicher auch kurzfristig lieferfähig. Neulich düste schon mal ein chilenischer Ferkelerzeuger quer über den Atlantik, um sich in Holland Schweineställe anzusehen. 500 Sauen in einer Gruppe fand er spannend, zuhause hat er 50.000 in eher „traditionellen“ Ställen.

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