24 Feb 2017

Von toten Tieren und vom Töten

Verhungert, verdurstet, wund gelegen – so titelte die NOZ am Mittwoch

Es geht um Tiere in der Tierkörperbeseitigungsanstalt. Ein Tierarzt hatte sich 75 Tierkadaver angesehen, davon meint er, lägen bei 10% Tierschutzverstöße vor. Harter Tobak, nur was ist dran?

Für uns ist das ganz schwierig zu beurteilen, jedoch machen wir uns natürlich unsere Gedanken, und die möchten wir gerne mit Euch teilen: Wir fragen uns, was ist da passiert, wie konnte das passieren, und wie ist so etwas zu vermeiden?

1. ja, es gibt Landwirte, denen das Tier scheißegal ist, aber das ist ganz sicher nicht die große Mehrheit. Die meisten Landwirte trifft eine solche Meldung bis ins Mark. Nur wir müssen die schwarzen Schafe benennen und uns gegen diese stellen.

2. es gibt Landwirte, die es schlichtweg nicht können, ein Tier töten, das ist auch absolut menschlich – nur dann müssen wir so konsequent sein, und jemanden rufen (z.B. einen Tierarzt), der im Falle des Falles das Tier dann erlöst.

3. zusätzlich gibt es Landwirte, die therapieren Tiere, die überhaupt keine Chance haben und

4. dann gibt es Tiere, bei denen man denkt, die packen das noch, und nachdem man sie dann erlöst hat, ärgert man sich, dass man es nicht schon 3-4 Tage vorher getan hat.

Und was wir nicht vergessen dürfen – auf der anderen Seite spielt immer die Frage mit, wenn ich dieses Tier nun töte, hatte ich dann einen vernünftigen Grund im Sinne des Tierschutzgesetzes? Viele Landwirte haben nach den Videos zum Nottöten der lebensunfähigen Ferkel Angst, etwas falsch zu machen, damit meinen wir sowohl beim Treffen der Entscheidung (Tier erlösen ja/nein) als auch beim Töten selber.

Das sind alles nur vage Erklärungsversuche, die den Umstand nicht besser machen. Wir möchten nur für etwas Verständnis werben. Es ist so einfach, einen solchen Artikel zu lesen und dann das Urteil zu fällen, dass alle Landwirte in unsere erste „Schublade“ gehören, dass den Landwirten ihre Tiere gleichgültig sind, sie nur Geld verdienen wollen und alles andere ausblenden.

Nur dem ist nicht so – ein Tier zu töten ist immer eine schwere Entscheidung, eine Einzelfallentscheidung, und sie wird offensichtlich häufig zu spät getroffen. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und werden uns bemühen besser zu werden.

Nadine Henke, Tierärztin und Sauenhalterin

Der Bericht über Kadaverkontrollen in Niedersachsen hat bei mir Erinnerungen geweckt, an die Videos zur Nottötung aus dem September 2014. Aus vielen Gesprächen mit Schweinehaltern und Tierärzten, während der Recherche und nach der Veröffentlichung, kristallisierte sich ganz klar heraus: sehr viele Tierhalter haben ein Problem mit Nottötungen. Drei typische Beispiele:

Der Bauernsohn, auf einem Milchviehbetrieb aufgewachsen, heiratet in eine Familie von Schweinehaltern ein. Zwei Wochen nach der Hochzeit spricht ihn der neue Schwiegervater an: „Kannst du mir helfen? Wir haben ein verletztes Ferkel im Stall und ich bring‘ s nicht über mich es zu töten.“ So kommt es, dass seitdem der Schwiegersohn eine unangenehme Aufgabe hat.

„Wer übernimmt denn bei euch die Nottötung, wenn es mal sein muss?“, fragte ich eine Landwirtin. „Also mein Mann kann das gar nicht. Der könnte nie einem Tier was zuleide tun.“ „Und, machst du es dann?“ ICH? Auf keinen Fall! Bei uns muss das der Opa machen.“

Eine Landwirtin will den Nottötungserlass (Kopfschlag und Entblutung) zukünftig umsetzen und besorgt sich ein Skalpell, um an einem erdrückten Ferkel den Kehlschnitt zu üben. Sie bringt es aber nicht fertig: „Ich kann dem Tier einfach nicht die Kehle durchschneiden.“

Einige wenige Ferkelerzeuger die ich kenne, haben sich in den eine CO2-Box zugelegt. Einige bekommen die „erlass-gemäße“ Nottötung mittlerweile hin. Die meisten rufen – im Fall der Fälle – den Hoftierarzt.

Thomas Wengenroth

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