Objektive Beurteilung der Tiergerechtheit indirekt über Indikatoren möglich – Susanne Gäckler zu den freiwilligen DLG-Prüfverfahren für Tierhaltungseinrichtungen
Der Gesetzgeber fordert, dass Tieren „keine Schmerzen, Leiden oder Schäden“ (§1 TierSchG) zugefügt werden. Für die Praxis ist diese Definition des Begriffs der Tiergerechtheit jedoch zu allgemein. Der DLG-Ausschuss für Tiergerechtheit hat ihn deshalb im DLG-Merkblatt 383 „Tiergerechtheit auf dem Prüfstand“ deutlich präzisiert: „Mit dem Begriff der Tiergerechtheit wird beschrieben, in welchem Maß die Haltungsumwelt das Wohlbefinden der Tiere sichern kann und die Anpassungsfähigkeit der Tiere nicht überfordert, Verhaltensmuster nicht einschränkt und somit Schmerzen, Leiden oder Schäden vermieden werden.“
Da die genannten Befindlichkeiten des Tieres wie Schmerz, Leiden oder Wohlbefinden nicht direkt zugänglich sind, müssen – je nach Gegenstand der Betrachtung, d. h. der Haltungsumwelt – entsprechende indirekte Zeiger, sprich Indikatoren verwendet werden. In Frage kommen hier Indikatoren z. B. aus den Bereichen Tierverhalten (Ethologie), Tiergesundheit, Physiologie, Leistung, Kondition oder Hygiene. Im Rahmen der freiwilligen DLG-Prüfverfahren für Tierhaltungseinrichtungen werden deshalb für jeden Prüfrahmen die entsprechend anzuwendenden Indikatoren mit dem DLG-Ausschuss für Tiergerechtheit und der zuständigen DLG-Prüfungskommission abgestimmt.
Beispiele für geeignete Indikatoren
Auf Basis der für Nutztiere wissenschaftlich gut dokumentierten arteigenen Verhaltensmuster lassen sich Änderungen in vielen Funktionskreisen des Tierverhaltens gut zur Beurteilung der Befindlichkeiten heranziehen. Das Ruheverhalten von Ferkeln und hier insbesondere deren Liegepositionen als Indikator geben beispielsweise einen Hinweis auf die Temperatur und deren Verteilung im Ferkelnest.
Bei Rindern lässt sich die Belastung der Karpalgelenke beim Abliegen und Aufstehen in mit Gummimatten belegten Hochboxen über eine Gelenksbonitierung – also der Erfassung technisch bedingter Veränderungen an den Gelenken – ablesen, aber auch durch Übertragung von Praxisbeobachtungen in einen Laborversuch, z. B. über die Messung der Verformbarkeit einer Liegeboxmatratze.
Das Fortbewegungsverhalten, bei dem als Indikator die Körperhaltung der Tiere betrachtet wird, lässt Rückschlüsse z. B. auf eine zu geringe Rutschfestigkeit des Untergrunds zu. In Labor und praktischem Einsatz lässt sich eine suboptimale Rutschfestigkeit von Bodenbelägen wissenschaftlich validiert über den Gleitreibbeiwert über Gleitzugversuche mit entsprechenden Prüfkörpern bestimmen.
In anderen Betrachtungen, wie beispielsweise bei Tierpflegebürsten und Schermaschinen, können als Indikatoren beispielsweise durch die Technik verursachte Verletzungen oder Stress – z. B. durch zu hohe Temperaturen an den Schermessern – erfasst werden. In der Intensivtierhaltung wie beispielsweise der Geflügelhaltung, kann es sinnvoll sein, die Tiergerechtheit über Tiergesundheitsparameter, wie z. B. Mortalität, Schäden oder auch das Auftreten von unerwünschtem Verhalten, zu bewerten. Da Ursachen dafür aber multifaktoriell bedingt sein können, müssen sie, wenn die Haltungsumwelt als Ursache vermutet wird, durch ausreichende Stichprobengröße in mehreren Betrieben und/oder Vergleichsgruppen so gut wie möglich abgesichert werden.
Ziel: Optimale Technik für das Tier beim Landwirt bekannt machen
Aller Aufwand, den das DLG-Testzentrum zur Bewertung der marktverfügbaren optimalen Tierhaltungstechnik betreibt, bedingt aber auch, dass diese Erkenntnisse in der Praxis wahrgenommen werden. Nur so können sich tiergerechte(-re) Systeme auch im Markt durchsetzen, was gerade heute im Zeitalter zunehmender, auch fundamentaler Kritik an der Nutztierhaltung essentiell ist. Die neutral gewonnenen Prüfungsergebnisse, aber auch Einsatz- und Anwendungsempfehlungen oder Investitions-Entscheidungshilfen werden deshalb entsprechend aufbereitet und als DLG-Prüfberichte, Fachartikel und Pressemitteilungen zugänglich gemacht.
Quelle: DLG