Symposium diskutiert innovative Projekte und neue Wege zur Verbesserung der Lebensbedingungen für Nutztiere – BMEL investiert bis 2016 rund 62 Millionen Euro in die Forschung
Ganz im Zeichen der „Forschung für mehr Tierwohl“ stand heute ein Symposium, zu dem das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) nach Bonn eingeladen hatten. Fachleute aus Wissenschaft, Politik sowie zahlreiche Verbände- und Wirtschaftsvertreter diskutierten aktuelle Forschungsaktivitäten und innovative Projekte für mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung. „Damit tiergerechte Lösungen funktionieren, müssen sie praxistauglich, ökonomisch tragfähig und gesellschaftlich akzeptiert sein. Was bringt es dem Schwein, wenn der Schwanz nicht kupiert, er aber von einem anderen Tier angebissen wird? Nicht nur in dieser Frage ist die Forschung gefordert, praktikable Wege des Übergangs aufzuzeigen“, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt zur Eröffnung der Veranstaltung. Weder den Erzeugern, noch den Verbrauchern und erst recht nicht den Tieren wäre geholfen, wenn Fleisch mit niedrigen Tierschutzstandards aus dem Ausland die heimische Produktion verdrängen würde. Bei der Beantwortung offener Fragen sei die Politik auf solide wissenschaftliche Erkenntnisse angewiesen.
Der Ausbau der Forschungsförderung ist ein wichtiger Teil der Mitte September gestarteten Initiative „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“. So sieht der Haushalt des BMEL für das Jahr 2015 Mittel im Bereich des Tierschutzes von über 33 Millionen Euro vor. Seit 2010 hat das BMEL allein über Projektmittel rund 142 Millionen Euro für die Forschung im Bereich der Tierhaltung und des Tierschutzes bereitgestellt. Der bestehende Forschungsbedarf wird fortlaufend geprüft und angepasst. Auf großes Interesse stieß unter anderem eine Förderrichtlinie im BMEL-Innovationsprogramm für verbesserte Haltungsbedingungen insbesondere bei Rindern, Schweinen und Geflügel. Nach deren Ausschreibung im Oktober 2012 wurden fast 100 Projektvorschläge mit 425 Beteiligten und einem Förderbedarf von über 96 Millionen Euro eingereicht. 33 Skizzen mit einer Fördersumme von insgesamt rund 30 Millionen Euro wurden als förderwürdig bewertet und nunmehr umgesetzt.
Nach Ansicht von BLE-Präsident Dr. Hanns-Christoph Eiden sollten innovative Forschungsprojekte auch dazu beitragen, dass die Nutztierhaltung in der Gesellschaft wieder eine größere Akzeptanz erfährt. „Die Themen Tierwohl und Tierhaltung sind fester Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Dabei ist es unsere Aufgabe, die Art und Weise der Produktion tierischer Lebensmittel am Tierwohl auszurichten. Eine besondere Herausforderung ist es hierbei, dies ökonomisch zu gestalten, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen“, so Eiden.
„Das Symposium ist ein wichtiger Beitrag zu einer besseren Vernetzung aller, die im Bereich Tierwohl forschen. Die Stärken unserer Forschung werden nur dann voll wirksam, wenn sich alle sehr intensiv austauschen und voneinander lernen. Auf dem Symposium wurde ganz deutlich: Das Tierwohl ist in Deutschland und darüber hinaus ein rasant wachsendes Forschungsfeld. Entscheidend ist jetzt, dass wir die wissenschaftlichen Ergebnisse in der Praxis umsetzen“, so Bundesagrarminister Schmidt. Vertreter des Deutschen Tierschutzbundes, des Deutschen Bauernverbandes und der Fleischwirtschaft stellten die Erwartungen gesellschaftlicher Gruppen aus unterschiedlichen Blickwinkeln dar.
Konkrete Projektbeispiele veranschaulichen exemplarisch die umfangreichen von der BLE koordinierten Forschungsaktivitäten des BMEL:
Jedes Jahr werden rund 45 Millionen männliche Küken getötet, nur weil sie das falsche Geschlecht haben. Eine frühe Geschlechtsbestimmung im Ei könnte Abhilfe schaffen. Der Bund fördert unter anderem ein Verbundprojekt mit dem Ziel einer sogenannten „in ovo – Geschlechtsbestimmung“. Die Zwischenergebnisse sind bereits jetzt vielversprechend. Die Forschung ist hier auf gutem Wege, ein solches Verfahren auch für die breite Praxis zu entwickeln.
Ein anderer Forschungsschwerpunkt dient dem Ziel, konkrete Schritte für den Ausstieg aus nichtkurativen Eingriffen aufzuzeigen. Über Modell und Demonstrationsvorhaben fördert das BMEL deshalb die intensive Beratung unter anderem von Schweinehaltern. Ziel ist es, das Risiko des Schwanzbeißens durch eine Optimierung der Haltungsbedingungen zu reduzieren.
Ein weiteres, vom Bund gefördertes Projekt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hat zum Ziel, durch gezielte Managementmaßnahmen und Herdenführung das Federpicken und den Kannibalismus bei Legehennen zu minimieren. Diese Erkenntnisse sind wichtig, um schon bald die Praxis des Schnabelkürzens zu beenden. Lösungsansätze des Modellprojekts werden in Form eines Leitfadens für die Praxis veröffentlicht.
Ein ähnliches Ziel verfolgt ein an der Universität Kassel durchgeführtes Zuchtprogramm für hornlose Milch- sowie Zweinutzungsrinder. Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass Rindern künftig keine Hörner mehr kupiert werden müssen.
„Wir müssen jetzt die Erkenntnisse aus der Forschung und der Praxis in den Betrieben kombinieren. Wenn wir über mehr Tierschutz diskutieren, müssen wir die Folgen und Perspektiven für Tiere, Tierhalter, Verarbeiter, Lebensmittelhandel und Verbraucher gründlich herausarbeiten und innovative Lösungsansätze anbieten. Wir brauchen neue Wege für mehr Tierwohl, die auf gesicherten Forschungsergebnissen fußen und den gesellschaftlichen und ökonomischen Zielen Rechnung tragen“, betonte Schmidt.
Hintergrund zur Forschungsförderung des BMEL
Das BMEL fördert seit Jahren die Weiterentwicklung des Tierschutzes in der Nutztierhierhaltung unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Anforderungen an eine moderne Tierhaltung. Grundlage ist das unter Einbezug von Wissenschaft und Wirtschaft erarbeitete „Forschungs- und Innovationskonzept Nutztiere“. Auch das vom Bioökonomierat der Bundesregierung vorgelegte Positionspapier „Herausforderungen für eine zukunftsfähige Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft“ sowie die Forschungsstrategie „Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft – gemeinsam für eine bessere Tierhaltung“ liefern die Basis für konkrete Forschungsvorhaben.
Quelle: BMEL