Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Getreide – gesundheitliche Beeinträchtigungen sind nicht zu erwarten
Nach Angaben eines Vereins sind in rund einem Drittel der Getreideprodukte in Europa Rückstände von Pflanzenschutzmitteln (Pestizide) nachweisbar. Dieses Ergebnis beruft sich auf eine Auswertung von Informationen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Danach wurden in 837 von 2234 Proben aus unverarbeitetem Getreide sowie Getreideprodukten Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen nachgewiesen. Das entspricht 37 Prozent. In 14 Proben (0,6 Prozent) war der Rückstandshöchstgehalt (RHG) überschritten. Insgesamt wurden 65 verschiedene Pflanzenschutzmittelwirkstoffe detektiert. Nach Ansicht des Vereins geht von der „schieren Zahl“ der verschiedenen Wirkstoffe ein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher aus.
Dazu nimmt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wie folgt Stellung: Pflanzenschutzmittelwirkstoffe werden vor ihrer Genehmigung auf europäischer Ebene umfassend auf mögliche gesundheitliche Risiken geprüft und bewertet. Sie sind bei bestimmungsgemäßem Gebrauch sicher. Auch wenn Pflanzenschutzmittel sachgerecht eingesetzt werden, kann es durchaus vorkommen, dass Rückstände im Erntegut und in den daraus hergestellten Lebensmitteln nachweisbar sind. Dies ist erwartbar und wird daher im Verfahren und bei der Sicherheitsbewertung dieser Produkte durch die Festlegung von Rückstandshöchstgehalten explizit mit berücksichtigt. Von geringfügigen Mengen gehen in der Regel daher keine gesundheitlichen Beeinträchtigung aus.
Wird – wie in einem kleinen Teil der Proben (0,6 Prozent) – der Rückstandshöchstgehalt (RHG) überschritten, so ist das Lebensmittel nicht mehr verkehrsfähig da der Rückstandshöchstgehalt ein verbindlicher Standard für den Handel ist und angibt welche Menge eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffs ein Lebensmittel höchstens enthalten darf. Allerdings kann aus der Überschreitung kein automatisches Gesundheitsrisiko abgeleitet werden. Die Festlegung der RHG’s folgt der Prämisse der Expositionsminimierung auf Basis des ALARA-Prinzips („As Low As Reasonably Achievable“ engl. für „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“). RHG´s liegen daher meist deutlich unter den für die betreffenden Mittel gesundheitlich relevanten Referenzwerten und sind keine toxikologisch begründeten Schwellenwerte. Erst bei wesentlich höheren Dosen wäre ein gesundheitliches Risiko zu erwarten.
Dies gilt nach dem derzeitigen Stand des Wissens auch für Rückstände von mehreren Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in einer Probe. Das liegt daran, dass die Konzentration vieler Stoffe sehr gering ist und der Gesamtrückstand meist von einem Wirkstoff dominiert wird. Mögliche Wechselwirkungen werden bei der Bewertung berücksichtigt. Das BfR bleibt daher bei seiner Einschätzung, dass durch Pflanzenschutzmittelwirkstoffe bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
Pflanzenschutzmittel werden eingesetzt, um Pflanzen oder Teile von Pflanzen, einschließlich Frischobst, Gemüse und Samen, vor Schaderregern wie giftbildenden Schimmelpilzen (Stichwort Mykotoxine), Unkräutern oder Schadorganismen zu bewahren. Sie sollen außerdem den Ernteertrag sichern, das Erntegut während der Lagerung und des Transportes schützen und eine gute Lebensmittelqualität gewährleisten. Im Getreideanbau ist insbesondere eine Kontamination mit für den Menschen gesundheitsschädlichen Mykotoxinen zu verhindern – dazu trägt die Verwendung von Fungiziden bei. Diese Aspekte sind bei der Forderung nach einer „pestizidfreien“ Landwirtschaft zu berücksichtigen.
Im ökologischen Landbau werden zwar weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt als in der konventionellen Landwirtschaft, völlig ohne Pflanzenschutzmittel kommen aber auch ökologisch arbeitende Landwirte nicht aus.
Durch neue hochpräzise Nachweismethoden lassen sich auch Spuren von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln detektieren. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln müssen so niedrig sein, dass sie die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht gefährden. Bis zu dem gesetzlich festgelegten Rückstandshöchstgehalt (RHG) sind Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln erlaubt. Der RHG gibt an, welche Menge eines Pflanzenschutzmittelwirkstoffs ein Lebensmittel höchstens enthalten darf. Die Festlegung eines RHG folgt der Prämisse der Expositionsminimierung auf Basis des ALARA-Prinzips („As Low As Reasonably Achievable“ engl. für „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“). Diese liegen deutlich unter den für die betreffenden Mittel gesundheitlich relevanten Referenzwerten. Die Überschreitung eines RHG ist daher auch nicht zwingend mit einem gesundheitlichen Risiko gleichzusetzen.
Die Bewertung möglicher gesundheitlicher Auswirkungen von Substanzen in Pflanzenschutzmittel-Mischungen, die so bereits entweder fertig formuliert vorliegen oder bei denen aufgrund des Anwendungsbereichs ein gemeinsames Auftreten vorhersehbar ist, gehört zur guten toxikologischen Praxis. Zur Wirkung von Mehrfachrückständen von Pflanzenschutzmitteln liegen zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse vor. Nach derzeitigem Kenntnisstand schließen die geltenden Zulassungskriterien gesundheitliche Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher hinreichend sicher aus.
Die von dem Verein veröffentlichten Zahlen zur gesamten Pflanzenschutzmittelaufwandmenge in Weizen und Gerste sind für das BfR so nicht nachvollziehbar und sollten nach guter wissenschaftlicher Praxis transparent dargelegt werden. Die Kulturen Weizen und Gerste nehmen in Deutschland 24 % der landwirtschaftlichen Fläche und 85 % der Getreideanbaufläche ein1. Diese Anbauform ist somit also flächenintensiv, jedoch ist der Behandlungsindex gering2, was die geringen Rückstandsgehalte widerspiegeln.
1 https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_234_412.html
2 https://papa.julius-kuehn.de/index.php?menuid=43
Quelle: BfR