01 Mrz 2014

Pressearbeit vom Feinsten – Ein medizinisches Leerstück des Bundes Deutscher Chirurgen

Der Berufsverband der Chirurgen in Deutschland (BDC) veröffentlichte am 22. Januar 2014 eine Pressemitteilung, die beim „Bundesverband Praktizierender Tierärzte“ auf – sagen wir mal – ein gewisses Unverständnis gestoßen ist und auch an dieser Stelle nicht unkommentiert bleiben kann.

Der Forderung im Titel der BDC-Mitteilung „Chirurgen fordern Bekämpfung der wahren Quellen multiresistenter Keime“ können wir bedingungslos folgen. Doch schon in der Einleitung verliert die Autorin den Faden. Es ist von Ratten, dem hohen Antibiotikaverbrauch in der Tiermast und im Obst- und Gemüsebau die Rede (nicht die Einschleppung durch Gülle, es heißt „Obst- und Gemüsebau verbrauchen Antibiotika“ – aber das nur am Rande). Es folgt der Hinweis auf kontaminierte Importwaren wie „Fleisch, Fisch, Garnelen“.

Was bis zu dieser Stelle fehlt, ist der geringste Hinweis auf den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin.

Aber es geht ja weiter mit einem Zitat des BDC-Präsidenten, Prof. Hans-Peter Bruch. Er identifiziert Landwirte und Tierärzte als „Keimträger“ (also ob nicht jeder Mensch ein Keimträger sei). „Darmkeime gelangen vor allem mit Hühnerfleisch und Salat in unsere Küchen“ (Achtung: es ist beide Male  nicht die Rede von resistenten Keimen – wir kommen drauf zurück). Und jetzt streift der Herr Professor den Sektor Humanmedizin – aber nur kurz – und verweis auf Alten- und Pflegeheime und ihre immunschwachen Bewohner. Um aber sogleich den Tourismus anzuprangern. Die bösen Keime kommen nämlich aus dem Ausland! Und nicht nur mit Fleisch, Fisch und Garnelen.

„Im europäischen Vergleich liegt die Verordnung von Antibiotika in der Humanmedizin in Deutschland im unteren Drittel. In vielen Ländern gelten andere, nicht so strenge Hygiene-Vorschriften wie bei uns. Dazu kommt der laxe Umgang mit Antibiotika.“ Und weiter geht es mit der Erkenntnis. „Multiresistente Erreger finden sich überall – im Staub und natürlich auch an der menschlichen Hand, in den Atemwegen und im Darm. Bruch: Händewaschen allein reicht da nicht. Wir müssen etwas gegen die Quelle tun.“

Das ist zweifellos und absolut richtig. Man muss das Übel an der Wurzel packen! Nur: die Hauptursache für die Entwicklung multiresistenter Keime wird gar nicht genannt. 95% der MRSA und ESBL entstehen durch den Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin. Das ist mannigfach wissenschaftlich bewiesen und veröffentlicht. Sollte dem BDC ein Fachzeitschriften-Abo zu teuer sein, wäre vielleicht eine kostenfreie Google-Recherche als praktikable Alternative anzuraten.

Worum es tatsächlich geht in der verworrenen Presseinformation des Chirurgen-Verbandes, macht dann vielleicht das letzte Zitat deutlich: „Mit einer Schuldzuweisungskultur – wie bisher -, die alle Leistungsträger im Medizinsystem zu Tätern macht, ist das Problem Multiresistenz nicht aus der Welt zu schaffen!“

Ach so: Da fühlt sich ein „Leistungsträger“ angegriffen. Chirurgen sind die Opfer – jetzt ist alles klar. Entschuldigung – vielmals Herr Professor.

Aber vielleicht doch noch ein paar klitzekleine Anmerkungen: Die Veterinärmedizin hat zahlreiche Programme und Initiativen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes gestartet. Die Zahl der Gemeinschaftsprojekte mit Humanmedizinern verschiedenster Fachrichtungen hat sich in den letzten Jahren dramatisch gesteigert. Das Fortbildungsangebot für niedergelassene Ärzte in Sachen Antibiotikaeinsatz wird hervorragend angenommen. Und von gegenseitigen Schuldzuweisungen ist in diesen Kreisen schon lange nichts mehr zu hören.

Der guten Ordnung halber muss man aber doch zwei Dinge trennen. Die Quellen multiresistenter Keime, verbunden mit ihrer „Trockenlegung“ und den Keimeintrag in die Körper von Krankenhauspatienten.

Unabhängig davon, ob es sich um resistente Keime oder stinknormale Staphylokokken handelt, will sie niemand haben. Und schon gar nicht an Körperstellen, wo sie normalerweise gar nicht vorkommen. Wenn aber einem Patienten ein künstliches Kniegelenk implantiert wird und nach der Operation diese Staphylokokken sich munter im Knie vermehren – wie sind sie denn dorthin gekommen? Gleichgültig ob nun resistent oder nicht: es muss doch wohl während der Arbeit des Chirurgen geschehen sein.

„Das Märchen von den schmutzigen Händen“, auf das zu Beginn der BDC-Meldung verwiesen wird, wollen wir nicht glauben. Bestimmt waschen sich die Kollegen von Prof. Bruch alle ordentlich die Hände. Aber die Verantwortung für die Hygiene im Operationssaal, sollten sie dann schon mitübernehmen. (Auch zu diesem Thema gibt es hervorragende Forschungsergebnisse – einfach noch mal „googeln“, verehrter Herr Professor.)

Pressemitteilung des Bundes Deutscher Chirurgen vom 22.01.2014
http://www.bdc.de/index_level3.jsp?documentid=6929DB045AC6175AC1257C820030831A&form=Dokumente&parent=4F4096212974856AC1256FC400572366&menu_id=E778DC1329D499A1C2256FC50053A704&category=DER%20BDC-NEWS-PRESSEMITTEILUNGEN

Pressemitteilung des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte vom 22.02.2014
http://www.tieraerzteverband.de/bpt/presseservice/meldungen/2014_02_28_schuldzuweisungen-nicht-zielfuehrend.php

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