Unabhängiges Gutachten der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof bestätigt Sicht des BfR. Das europäische Zulassungssystem für Pflanzenschutzmittel ist solide und berücksichtigt den Schutz vor Risiken für Gesundheit und Umwelt. Zu diesem Schluss kommt Eleanor Sharpston,
Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat sei kein „Beispiel für vermeintliche Mängel“ des Verfahrens. „Diese unabhängige juristische Bewertung belegt, dass bei der Regulierung von Pflanzenschutzmitteln in Europa die gesundheitliche Vorsorge im Mittelpunkt steht“, sagte Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). „Auch wenn bei der Wiederzulassung von Glyphosat der Verbraucherschutz von zentraler Bedeutung war, arbeitet das BfR an der weiteren Verbesserung der Verfahren.“
Pressemitteilung des EuGH
Hintergrund von Sharpstons Ausführungen ist ein Strafverfahren gegen französische Umweltaktivisten. Diese hatten in mehreren Städten Geschäfte beschädigt, in denen glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel verkauft wurden. Das zuständige Gericht hatte sich an den EuGH gewandt, weil es bezweifelte, dass die europäische Pflanzenschutzmittelverordnung das Vorsorgeprinzip – also den Schutz von Umwelt und Gesundheit – ausreichend würdigt. In ihren Schlussanträgen hat Sharpston sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Die Schlussanträge der Generalanwälte des EuGH sind Vorschläge für ein Urteil, aber für den Gerichtshof nicht bindend. Das Urteil steht noch aus.
Aus Sicht Sharptons ist die Pflanzenschutzmittelverordnung selbst eine Vorsorgemaßnahme, da sie für eine Produktgruppe (Pflanzenschutzmittel) ein System vorheriger Genehmigungen einführe. Auf die Frage des französischen Gerichts, ob die Regulierung den „Cocktail-Effekt“ angemessen berücksichtige – die Tatsache, dass ein vermarktetes Endprodukt mehrere Wirkstoffe enthalten kann -, erwidert Sharpton, dass es „Sicherheitsnetze“ gebe, die in einem solchen Fall die Korrektur möglicher Bewertungsfehler erlaubten. Gerade auf diesem Gebiet ist das BfR seit Jahren in umfangreiche und europaweit vernetzte Forschungsarbeiten eingebunden, um solche „Cocktail-Effekte“ auch in regulatorischen Verfahren besser bewerten zu können.
Das französische Gericht hatte zudem die Regelung in Frage gestellt, nach der die Unternehmen die für die Zulassung erforderlichen Untersuchungen selbst anstellen können. Sharpton entgegnet, dass die Antragsteller vollständige Dossiers mit Daten vorlegen müssen. Dieses schließe Parteilichkeit und Einseitigkeit aus.
Gebe es Hinweise auf Schäden durch einen langfristigen Wirkstoffgebrauch – ein weiteres von dem Gericht genanntes mögliches Problem -, hindere die Pflanzenschutzmittelverordnung die zuständigen Behörden nicht daran, die Zulassung abzulehnen. Eine Analyse langfristiger Toxizität vor dem Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels zu verlangen, zögere jedoch den Zeitpunkt hinaus, ab dem dieses Produkt für Landwirte verfügbar sei. Hier müsse zwischen einem angemessenen Schutz für Mensch, Tier und Umwelt und der Sicherung landwirtschaftlicher Produktivität abgewogen werden.
Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung