zur Berichterstattung über die Untersuchung von „Bündnis90/Die Grünen“ zu Glyphosat in der Muttermilch
Mit großer Sorge haben wir die Pressereaktion auf eine von „Bündnis 90/Die Grünen“ in Auftrag gegebene Untersuchung zu Glyphosat in Muttermilch-Proben zur Kenntnis genommen.
In zahlreichen Medien wurden Inhalte und Schlussfolgerungen aus der Pressemitteilung einer politischen Interessengruppe ungeprüft übernommen und nicht angemessen gewichtet.
So werden in der Pressemitteilung die ermittelten Werte mit den Trinkwasser-Grenzwerten verglichen. Diese Grenzwerte sind allerdings pauschaler Natur, gelten für alle Arten von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden. Sie sind nicht geeignet, um daraus eine etwaige Gesundheitsgefährdung abzuleiten (Link).
Ausschlaggebend für die Bewertung der Gesundheitsgefährdung ist die in der EU zulässige Tagesaufnahme, kurz ADI (acceptable daily intake). Diese liegt für Glyphosat bei 0,3 mg pro Kilogramm Körpergewicht.
Ein vier Kilo schwerer Säugling müsste also von der in der Stichprobe am stärksten belasteten Muttermilch mehr als 2777,778 Liter am Tag (!) trinken, um diesen Grenzwert zu überschreiten.
Und selbst darüber hinaus ist nicht von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen: So hat die WHO für Glyphosat einen ADI-Wert von 1,0 mg/kg festgelegt. Einen Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser hat die WHO gar nicht bestimmt: „Under usual conditions, therefore, the presence of glyphosate in drinking-water does not represent a hazard to human health, and it was not deemed necessary to establish a guideline value for glyphosate.“ (Link, S. 379)
Auf mehrfache Nachfrage hin veröffentlichte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 27.6. schließlich die Messergebnisse auf ihrer Facebook-Seite (Link). Die Daten auf dem zweiseitigen Befundfax entsprechen nicht den wissenschaftlichen Standards und stehen in keinem Verhältnis zur Berichterstattung.
Die wesentlichen Kritikpunkte sind im Fact-Sheet zusammengefasst.
Journalisten haben die Aufgabe, Informationen zu sortieren, zu strukturieren, einzuordnen und letztlich zu bewerten. Es wäre mehr als bedauerlich, wenn jetzt Mütter aufgrund der oberflächlichen Berichterstattung verunsichert würden und ihren Kindern die so wichtige Muttermilch aufgrund unrealistischer Ängste vorenthalten. Wir appellieren nachdrücklich an alle Medienvertreter, gerade Verlautbarungen von Interessengruppen und Parteien stets einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Die Aufmerksamkeit, die das Pflanzenschutzmittel Glyphosat derzeit in der Berichterstattung erhält, hat ihre Ursache in der Neubewertung, die die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) derzeit für die EU durchführt, und in der weltweit sehr breiten Anwendung. Sie liegt jedoch nicht in einer besonderen Schädlichkeit für die Natur oder besonders hohen Giftwirkung für den Menschen. Gleichwohl gilt für Glyphosat, was auch für andere Pflanzenschutzmittel gilt: Es sollte nur bei Bedarf und in möglichst geringer Menge angewendet werden.
Für Rückfragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung:
Wolfgang Nellen, Dr. rer.nat.
Prof. f. Genetik i.R.
Johann Gottfried Herder Fellow
Brawijaya University, Malang, East Java
Christel Happach-Kasan, Dr. rer. nat.
ehem. MdB
Schwalbenweg 18
23909 Bäk
Susanne Günther
schillipaeppa.net
Ringstraße 4
34513 Waldeck
Thomas Wengenroth
stallbesuch.de
Höhenstrasse 29
64720 Michelstadt
Fact Sheet
Die Ergebnisse der Untersuchung (die vielfach als „Studie“ bezeichnet werden) wurden am 27.6.2015 (also nach der Pressemitteilung) auf Facebook öffentlich zugänglich gemacht (Link).
BioCheck (Labor für Veterinärdiagnostik und Umwelthygiene) ist ein nach DIN EN ISO/IEC 17025:2005 akkreditiertes Prüflabor. Im Leistungsverzeichnis des Labors (Link) wird keine Untersuchung auf Glyphosat aufgeführt.
Fachliche Beurteilung der Daten:
1) Es fehlen Angaben zur Auswahl der Probandinnen und zur Gewinnung der Proben.
2) Die Ergebnisse beschränken sich auf eine Tabelle mit Messwerten. Es sind keine Standardabweichungen angegebenen.
3) Laut Legende wurde ein nicht akkreditiertes Verfahren eingesetzt.
4) Es werden keine Kontrollen oder Referenzwerte angegeben.
5) Eine genaue Beschreibung der Methode fehlt. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist der angewendete ELISA Test für wässrige Lösungen, nicht aber für fetthaltige Proben geeignet.
6) Die vorgelegten Daten entsprechen nicht den Standards, die für eine wissenschaftliche Evaluierung der Messergebnisse ausreichen, oder eine Validierung erlauben.
7) Die vom BfR in einer ersten Stellungnahme (Link) aufgeworfenen Fragen können aus den vorgelegten Daten nicht beantwortet werden.
So schreibt das BfR: „Die dem BfR bekannten ELISA-Tests sind jedoch für die Bestimmung von Glyphosat in Wasserproben vorgesehen, eine Eignung für Milch ist nicht belegt. Die empfindlichste Analysenmethode (die Bestimmung mittels flüssigchromatographischer Verfahren) erlaubt nur eine Bestimmungsgrenze von 10 Nanogramm pro Milliliter. Insbesondere die Befunde in Muttermilch liegen jedoch deutlich darunter und können ohne genaue Aussagen zur verwendeten Analysenmethode nicht beurteilt werden.“
Es ist somit völlig unklar, wie die ermittelten Werte zustande gekommen sind. Eine Aussage zu einer etwaigen Gesundheitsgefährdung erlauben diese Daten auf keinen Fall. Eine solche zu suggerieren, ist fahrlässig.
Mitunterzeichner
Ralf Reski, Dr. rer. nat.
Prof. f. Pflanzenbiotechnologie
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Peter und Kathrin Seeger
Hof Seeger
Ausserhalb Nieder-Klingen 3
64853 Otzberg
Dr. Kathrin Naumann
Agraringeneurin
Lütt Eck 17
18198 Stäbelow
Klaus Alfs
Diplom-Sozialwissenschaftler
Alt-Moabit 55 B
10555 Berlin
Daniel Bohl
Dipl.-Ing. agr.
19417 Büschow
Heike Klatte
Borgfelder Landstraße 4
28357 Bremen
Andrea Rahn-Farr
63654 Büdingen
Bernhard Barkmann
www.blogagrar.de
49832 Messingen
Tobias Volkert
Dipl.- Ing Agrar (Fh)
Ritterstraße 19
91166 Rittersbach
PD Dr. Dirk Hesse
Braunschweig
Dr. Ludger Weß
Hasenhöhe 29
22587 Hamburg
Wolfgang Rühmkorf
Dipl. Ing. agr.
Hottelner Str. 49
31157 Sarstedt
Dieter Fritz
Dipl. Agr. Biol.
71737 Kirchberg
Martin Ballaschk
Diplom-Biologe, FU Berlin
www.scilogs.de/detritus
10367 Berlin
Mitchell Weitz
BSEE Electrical Engineer
Pennsylvania, USA
Prof. Dr. Christian Jung
Lehrstuhl für Pflanzenzüchtung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Harmen Hawer
Biologiestudent Universität Kassel
Im Lohre 16
34132 Kassel