Seit Jahren und besonders in den letzten Monaten, wird die Kritik an den Verbraucherschützern des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ immer lauter und immer aggressiver. Wurden die Wissenschaftler des BfR vor wenigen Jahren noch einhellig gelobt, für Ihre Aufklärung in Sachen Dioxin und EHEC beispielsweise, hat sich mittlerweile der Wind um 180 Grad gedreht.
Und dies obwohl die Behörde 2002 doch explizit gegründet wurde, um zu verhindern, „dass Gefahren für die Menschen geleugnet oder heruntergespielt werden“, wie Renate Künast, die damalige Umweltministerin, zur Amtseinführung von Prof. Andreas Hensel, dem ersten und bis heute einzigen Präsidenten der Behörde, sagte.
An den Bewertungen von Cumarin in Zimtsternen oder Pyrrolizidinalkaloiden in Borretsch und Kräutertees hat kaum jemand etwas auszusetzen. Beim Pflanzenschutz allerdings wird dem BfR die Expertise vollständig abgesprochen. Und sogar die Integrität des Präsidenten, seiner Mitarbeiter und gleich des ganzen Instituts wird immer öfter und immer lauter in Zweifel gezogen.
Es geht um den Unkrautvernichter Glyphosat. Oder besser um Monsanto. Oder vielmehr um „Genmais“. Also eigentlich um die Grüne Gentechnik. Tatsächlich aber geht um den Stellenwert unabhängiger Wissenschaft insgesamt.
Das angebliche Versagen des BfR bei der Bewertung des Wirkstoffes Glyphosat wird ganz unterschiedlich begründet. Geradezu mitfühlend stellt eine BUND-Sprecherin fest, die BfR-Mitarbeiter seien von den ungeheuren Datenmengen einfach überfordert. Etliche Kommentatoren werfen den Berliner Wissenschaftlern schlicht Unfähigkeit vor, seit Neuestem gar die systematische Unterdrückung missliebiger Studien und schlussendlich – mehr oder weniger unverhohlen – Bestechlichkeit im Amt.
Wenn aber schon eine ganze Abteilung des Berliner Instituts mit der Auswertung der zahlreichen Studien überfordert ist, muss die Hochachtung vor dem BUND ins Unermessliche wachsen, hat doch offenbar dessen kleine Aktivisten-Schar kein Problem damit, aus eben dieser Datenfülle die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Ein Professor aus Hamburg (zu dessen expliziten Qualifikationen es gehört, sich auf gar keinen Fall im Auftrag einer politischen Partei zu Wort zu melden!) stellt die systematische Missachtung einiger weniger wissenschaftlicher Studien fest, ohne allerdings zu erklären, ob er denn auch jene 1.000 Arbeiten gesichtet hat, die in die Bewertung des BfR eingeflossen sind.
In kaum einem Kommentar schließlich fehlt der Vorwurf der Industriehörigkeit: „Das BfR stützt seine Beurteilungen vor allem auf Industriestudien“ und „in Expertengremien sitzen sie mit Industrievertretern an einem Tisch.“ Die aufwändigsten Studien sind jedoch eben jene, zu denen die Hersteller gesetzlich verpflichtet sind. Sie nicht zu prüfen und nicht mit ihren Autoren zu sprechen wäre zwar eher kontraproduktiv, aber das Verfahren soll zukünftig ja ohnehin ganz anderes ablaufen.
Nach den Vorstellungen der GRÜNEN nämlich übernehmen unabhängige Experten selbst die Forschung und lassen ihre Arbeit von der einschlägigen Industrie finanzieren. Ein BfR 2.0 also, nur eben viel größer? Dann könnte man die Künast-Rede von 2002 ja noch mal recyceln!
Dabei gibt es viel simplere Vorschläge aus dem Kreis zukünftiger Experten:
Eine Politikwissenschaftlerin, die sich beim „Ackergift“ auskennt, verriet dem hessischen Hörfunk, dass Wissenschaftler allein deshalb immer weiter forschen wollten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Sie rät deshalb schlicht zur Abschaffung des überteuerten BfR.
Der „wissenschaftliche Leiter“ eines Vereins mit dem respektheischenden Namen „Hamburger Umweltinstitut“ meint gar, er bräuchte gar keine Untersuchungen, denn er „weiß einfach, dass das Zeug krebserregend ist.“
Eine weitere Expertin, aus Brasilien eingeflogen um den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu erklären wie der Umgang mit Unkräutern aussehen sollte, rät diese wahlweise auf den Feldern zu belassen oder, wenn’s denn unbedingt sein muss, per „Elektroschock“ zu bekämpfen.
Zum Glück bekommen auch deutsche Landwirte Gelegenheit, mehr über die wahrlich revolutionäre Schock-Methode zu erfahren, da Frau Professor (unter der Ägide der LINKEN) zufällig gerade eine Rundreise durch unser Land absolviert.
Und auch die GRÜNEN bieten gerne ihre Expert_Innen an. Wie jene Tierärztin, die eine Untersuchung von Muttermilchproben mittels eines völlig ungeeigneten Verfahrens in Auftrag gibt. Auf diese Weise gelingt dann auch der bemerkenswerte „Nachweis“, dass ein Säugling bereits bei täglicher Aufnahme von wenigen Tausend Litern Muttermilch den TDI-Wert für Glyphosat überschreitet. (Mit drei Zimtsternen übrigens wäre auch der „tolerable daily intake“ für Cumarin erreicht – dies aber nur am Rande.)
Wohin soll nun die Reise in Zukunft gehen? Ganz einfach: Ein Wohlfahrtsausschuss ersetzt das BfR, die Hacke feiert fröhliche Urständ und statt „precision farming mit GPS und sensorgesteuertem Gülleinjektor“ lernen alle wieder „Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt.“
Wir wären dann zwar auf Lebensmittelimporte aus der Dritten Welt angewiesen, hätten aber endlich technologische Augenhöhe mit Afrika erreicht.
(Ein Kommentar von Thomas Wengenroth)