Teilnehmer des BVL-Symposiums diskutieren Umsetzung – Verstärkter Kampf gegen Antibiotikaresistenzen
Mit der neuen EU-Verordnung über Tierarzneimittel verbinden sich einige Hoffnungen: Die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln in den Ländern der Europäischen Union soll größer, der Anreiz für Innovationen gesteigert und der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen verstärkt werden. Zugleich sind die Herausforderungen groß. Nur gut zwei Jahre verbleiben bis zur Anwendung der in diesem Jahr in Kraft getretenen Verordnung bis zum Stichtag, dem 28. Januar 2022. Welche Hürden sind bis dahin zu nehmen? Welche Kritikpunkte und Erwartungen verbinden Behörden, pharmazeutische Industrie und Tierärzteschaft mit der Verordnung? Diese Fragen waren Gegenstand eines zweitägigen Symposiums des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 5. und 6. November 2019 in Berlin.
Die neue Tierarzneimittel-Verordnung sieht unter anderem vor, dass besonders kritische Antibiotika künftig der Humanmedizin vorbehalten sein sollen. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Hans-Joachim Fuchtel, sieht darin einen Meilenstein im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen, wie er bei seinem Grußwort vor den 180 Gästen deutliche machte. „Zugleich ist aber auch die konsequente Entwicklung neuer Antibiotika erforderlich“, erklärte Dr. Lars Nickel vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Er erhofft sich auf diesem Gebiet künftig weitere Fortschritte.
Der Weg zur Ausgestaltung der neuen EU-Verordnung sei noch lang „und stellt auch für das BVL die wohl größte Herausforderung für die folgenden Jahre dar“, formulierte dessen Präsident Dr. Helmut Tschiersky. Allein auf EU-Ebene seien 27 Rechtsakte auszugestalten und umzusetzen, umriss Referatsleiter Christian Siebert von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission den Umfang der Aufgaben. Zumindest in der ersten Phase sieht er die Umsetzung aber gut im Zeitplan.
Dr. Ivo Claasen von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) prognostizierte, dass der administrative Aufwand mit der neuen Tierarzneimittel-Verordnung abnehmen werde, was auch den Anreiz für mehr Innovationen und neue Produktentwicklungen erhöhe.
Sehr eng sei das Zeitfenster, um drei Datenbanken zu entwickeln und programmieren: Herzstück ist dabei eine Produktdatenbank, die mit einer Pharmakovigilanz-Datenbank und einer Datenbank über Herstellung, Einfuhr und Vertrieb von Tierarzneimitteln verknüpft werden muss. „Die IT-Systeme sind der Schlüssel zum Erfolg“, stellte der für die Tierarzneimittel-Zulassung zuständige Abteilungsleiter im BVL, Prof. Thomas Heberer fest.
Über den Stand der Arbeiten zur Neuordnung des nationalen Tierarzneimittelrechts informierte Dr. Andrea Sanwidi vom BMEL. Bisher sind gesetzliche Regelungen zu Tierarzneimitteln national im Arzneimittelgesetz und den darauf gestützten Verordnungen geregelt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe unter gemeinsamer Leitung von BMEL und BMG koordiniert die gesetzgeberischen Aktivitäten zur Neuordnung des nationalen Tierarzneimittelrechts. Ziel sei es, die nationalen Rechtsvorschriften fristgerecht an das EU-Recht anzupassen.
Die pharmazeutische Industrie begrüßt die neue europäische Verordnung in ihren Zielen, da sie auch die Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller steigere, wie Dr. Cornelia Ibrahim vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) berichtete. Bei der Umsetzung seien im Detail aber noch viele Fragen offen, so gebe es noch viele unbestimmte Rechtsbegriffe.
Verbandsvertreter der Tierärzteschaft bewerteten die neuen Regelungen differenziert. Sie verlangten, dass zumindest derzeit in der Veterinärmedizin zugelassene antimikrobielle Wirkstoffe auch künftig verfügbar sein müssten.
Auf dem BVL-Symposium ging es auch darum, wie im Dialog mit Drittstaaten die Qualität von Arzneimittelwirkstoffen gesichert werden kann. Die meisten Wirkstoffe werden heute in China und Indien produziert. Rund 80 Prozent der in Deutschland in der Veterinärmedizin eingesetzten antimikrobiellen Wirkstoffe stammen Schätzungen zu Folge aus China, rechnete Dr. Norbert Möller vom BVL vor. Mangelnde Wirkstoffqualität schlage sich vermehrt in Lieferengpässen nieder. Um eine ausreichende pharmazeutische Qualität zu gewährleisten, müsse das Herstellungsverfahren beim Produzenten lückenlos überwacht werden. Eine seit 2017 auf Fachebene laufende Zusammenarbeit des BVL mit verschiedenen chinesischen Behörden soll künftig noch intensiviert werden.
Diesem Ziel diente auch der Besuch von Prof. Xiaohui Yu vom chinesischen Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten (MARA) während des Symposiums. Yu erläuterte vor den 180 Experten die in China geltenden Standards für Tierarzneimittel und für deren Überwachung.
Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)