Früher galten Bauern als zuverlässige Garanten der Lebensmittelversorgung, heute stehen sie am medialen Pranger: Als Massentierhalter, Brunnenvergifter und willfährige Komplizen der Pharmaindustrie.
Seit einigen Jahren habe ich nun selbst mit Landwirten zu tun, speziell mit solchen die Nutztiere halten: Schweine, Kühe, Hühner vor allem. Wir sind über Facebook verbunden, tauschen via Twitter Nachrichten aus, aber vor allem besuche ich sie daheim auf ihren Höfen und dabei mache ich mir ein eigenes Bild von ihnen.
Natürlich gibt es große Unterschiede: mal arbeiten sie nach Biorichtlinien, mal konventionell. Mal stehen mehr, mal weniger Tiere im Stall. Die einen bearbeiten auch noch große Ackerflächen, andere gehen drei Tage die Woche einem zweiten Beruf nach, weil Tierhaltung allein die Familie nicht ernährt.
Allen, die ich bis jetzt getroffen habe, ist aber eines gemeinsam: sie haben Freude an ihrem Beruf. Das ist beneidenswert! Aber wer hat auch schon so viel Abwechslung in seinem Arbeitsalltag? Schweine füttern, Fallzahlen bestimmen, Trecker fahren, Futterrationen berechnen und abends mit dem Rentner diskutieren, wie der Stallanbau am besten geplant werden soll.
Auf die Frage nach den jährlichen Arbeitsstunden antwortet der eine: „Mein Mitarbeiter kam letztes Jahr auf 2.100, soviel werden es bei mir wohl auch gewesen sein.“ Ein anderer meint gar: „Eigentlich arbeite ich immer, auch abends mache ich mir Gedanken um Hof und Tiere und spreche mit meiner Frau darüber. Aber ich merke gar keinen Unterschied zwischen Arbeit und Erholung – das geht so ineinander über.“
Wird Ackerbauern häufig vorgeworfen, sie verseuchten das Grundwasser und überdüngten die Felder, lautet der gängige Vorwurf an Nutztierhalter schlicht: alles Tierquäler! Das ist starker Tobak und zunächst auch einfach unlogisch: warum sollten sich Landwirte ihrer Existenzgrundlage berauben, indem sie Felder vergiften von denen sie dauerhaft hohe Erträge erhoffen oder Tiere quälen, von deren Gedeih ihr Einkommen abhängt?
Bleiben wir bei den Nutztierhaltern, denn mit ihnen habe ich es ja vor allem zu tun. 216.100 Betriebe mit Nutztierhaltung gibt es in Deutschland und natürlich kenne ich sie nicht alle – bei weitem nicht. Aber es werden stetig mehr und mit ihren Besitzern erlebe ich so Einiges!
Über Twitter z. B. schickt „Bien“ jeden Morgen, sieben Tage die Woche, ein neues Foto aus ihrem Abferkelstall. Rosa Ferkel, nuckelnde Ferkel, schlafende Ferkel, satte Ferkel, Ferkel mit milchverschmierten Nasen … Steckt dahinter etwa ein Hang zur Tierquälerei?
Über den Kurznachrichtendienst tauschen sich auch Schweinehalter wie BauerHolti, Schweineschubse und LandwirtOtti aus, über die Verbesserung der Luft im Stall: „Welchen Kräuterextrakt vernebelt ihr so? Welche Verdünnung für Eukalyptus ist die richtige?“ Ein Hinweis auf unverantwortlichen Medikamenteneinsatz?
Und worum ging’s im allerersten Tweet zur neu eingeführten Antibiotika-Datenbank? „Hab im letzten Quartal keine Antibiotika eingesetzt. Das kann man da aber gar nicht eintragen?“
Auch auf Facebook tummeln sich Rinder-, Schaf- und Schweinehalter. Und es wird disputiert über Hoch- oder Tiefliegeboxen im Kuhstall. Und es wurden schon dutzendweise Fotos von Beschäftigungsmaterial und Strohraufen für Schweine ausgetauscht, lange bevor die „Initiative Tierwohl“ aus den Startlöchern kommt.
Damit kein Missverständnis entsteht, natürlich sind nicht alle Bauern Engel und auch die Guten unter ihnen sind nicht perfekt. In den 288.200 landwirtschaftlichen Betrieben muss es auch unfähige Leute geben – wie in allen anderen Bereichen auch. Oder arbeiten 100% der Kfz-Mechaniker fehlerlos? Keine einzige Fehldiagnose bei Ärzten? Pfusch am Bau – unbekannt?
Es gibt auch Landwirte die am Stammtisch wettern „Bleib mir bloß weg mit dem dämlichen Tierwohl. Die sollen uns in Ruhe machen lassen, wie wir’s schon immer gemacht haben.“ Und solche Sprüche kommen beileibe nicht nur von den Alten. Auch bei ein paar Jungbauern reicht der Horizont eben nur vom Stammtisch bis zur Kneipentür. Aber z. B. der ganze Druck, nun endlich mit der „Initiative Tierwohl“ zu starten, kommt aus den Reihen der Landwirte. Sie sind längst vorbereitet und warten nur darauf, dass es endlich losgeht.
Am besten machen Sie sich ein eigenes Bild. Zum Beispiel mithilfe der Videos auf www.stallbesuch.de, über die Seite der Initiative „BauernWiki“, wo Landwirte aller Sparten gern erklären, wie Ackerbau und Viehzucht funktionieren. Und am besten nutzen Sie dann noch den nächsten „Tag des offenen Hofes“.
„Ihre“ Bauern warten schon auf Sie!