23 Nov 2014

Eine kurze Geschichte zur ZEIT

Wer den Antibiotika-Artikel der ZEIT vom 20. 11. 2014 von vorn bis hinten liest, kommt unweigerlich zu dem Schluss: der Autor hat Glück, dass er ihn am PC tippen konnte und nicht mit Füller schreiben musste. Die Tinte wäre auf dem Papier bis zur Unkenntlichkeit zerflossen, von der Unmenge Schaum die ihm bei der Abfassung vom Mund getropft sein muss. Abseits der Veganer-Threads im Internet liest man selten eine solche Ansammlung alberner bis geschmackloser Parolen und derart gehässige Verdrehungen.

Die Versatzstücke sind alle altbekannt und die Technik des Textens ebenso. Einerseits werden zwei Sätze aneinandergereiht, die einzeln und für sich genommen Fakten korrekt wiedergeben, aber hintereinander gelesen einen Zusammenhang suggerieren der so nicht besteht. Andererseits werden Tatsachen, die gegen den Grundtenor des Artikels sprechen, möglichst weit voneinander getrennt platziert.

Ein paar Beispiele dafür wie Ungenauigkeiten eingeschmuggelt wurden:

In der Grafiklegende zur „Durchseuchung“ ist gleich zu Anfang von „MRSA“ die Rede, ohne dass der genaue Typ genannt würde, der bei Landwirten vor allem vorkommt (CC398) und der Unterschied zu anderen MRSA-Stämmen aus der Humanmedizin.

Genaue Zahlen zu Todesfällen, die auf LA-MRSA zurückgeführt werden können, gibt es nicht: „die Fälle werden nur zufällig bekannt“. Im gleichen Absatz wird Bezug genommen auf eine umfangreiche wissenschaftliche Studie aus Dänemark, die kaum per Zufall fünf Todesfälle gefunden haben dürfte.

Bei einem Fußballer gelangt 1997 bei einer Operation ein resistenter Keim ins Knie und seine Ärzte haben sowas noch nie gesehen. Eine Seite weiter steht im Kastentext, dass MRSA sich seit den 1960er Jahren vermehren. Sammers Ärzte waren 30 Jahre zuvor vermutlich noch zu jung, um davon gehört zu haben.

Beim Beispiel der Carbapeneme hat der Autor vergessen zu erwähnen, dass dieser Wirkstoff in der Tiermedizin überhaupt nicht zugelassen ist. Carbapenem-Resistenzen werden erwiesenermaßen von Patienten eingeschleppt, die zuvor im Ausland (vorzugsweise in Südeuropa oder auch Indien) ärztlich behandelt wurden. Ein einziger Carbapenem-resistenter Keim einheimischen Ursprungs wurde je gefunden und zweifelsfrei dem Humansektor zugeordnet.

Aber weil der Generalangriff auf Massentierhalter und Landwirte immer im Zusammenhang mit dem restlichen Bösen in der Welt gestartet wird, dürfen auch die Großunternehmen nicht fehlen: Die Gewinne von Handelsketten und Fleischriesen sind zu groß, als dass der Markt noch etwas regeln könnte. Dass bei übergroßer Macht einiger weniger Firmen, also Oligopolen, die Preise eigentlich überhöht sein müssten, spielt anscheinend keine Rolle.

Und natürlich die Beschreibung der beiden Protagonisten Hilse und Meyer! Der Lobbyist „trägt Maßanzug und teure Krawatte“, der Minister dagegen wirkt „fast ein wenig unbeholfen“. Hilse gehört zu den Großen (mit 2.000 Mastschweinen – guter Witz), dem Grün-Meyer wünscht man dagegen gleich Herkules-Kräfte.

Insgesamt stecken schon echte Fakten im Artikel, doch eben weit verstreut. Einsam und verträumt sogar der Satz: „Mit jeder Antibiotikabehandlung steigt das Risiko der Ausbreitung von Resistenzen.“ Und genau das ist das Problem – auch mit jeder Behandlung in der Humanmedizin. Käme hier im Anschluss ein Hinweis auf die neueste Veröffentlichung zu Forschungsergebnissen von u. a. MedVetStaph, RKI und BfR, dass nämlich insgesamt nur 2 % der tatsächlichen Infektionen in Deutschland auf LA-MRSA zurückzuführen sind (und 10 % in Gebieten mit hoher Nutztierdichte), wäre die Relation gewahrt. 98:2 im Gesamtdurchschnitt und 90:10 in den Vieh-Hochburgen.

Artikel wie dieser helfen weder in der Sache weiter, noch klären Sie die geneigten ZEIT-Leser über Hintergründe oder gar Lösungsansätze auf. Thema verfehlt! Die Resistenzbildungen in der Landwirtschaft sind ein zweifellos ernstes Problem, für dessen Bewältigung Humanmediziner, Tierärzte und Tierhalter endlich zusammenwirken müssen. Gerade weil die Erfahrungen in der Humanmedizin zeigen wo Nichtstun hinführt.

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