04 Dez 2015

DLG-Kolloquium „Zukunft Nutztierhaltung: Was jetzt zu tun ist!“

Am 2. Dezember gab es in Berlin ein halbes Dutzend interessanter Vorträge zu hören: Von der Einführung des DLG-Präsidenten, über „Zukunftsfähige Haltungssysteme“ (für Schweine und Geflügel), bis zum Dauerbrenner „Verbraucher-Kommunikation“. Auf alle Themen und Referenten werden wir noch im Detail zurückkommen. Den Anfang machen heute zwei Beiträge  über „Wachstum“ und „Fleischverarbeitung“.

Prof. Albert Sundrum, Leiter des Fachgebietes Tierernährung und Tiergesundheit der Universität Kassel, referierte zu „Wettbewerbsfähigkeit über quantitatives oder qualitatives Wachstum?“.

Nach seiner Meinung hat der Markt sich vom typischen Schweinezyklus verabschiedet und ist in eine grundlegende Krise geraten. Grundsätzlich hält Sundrum deshalb eine Art Interventions-Schwelle für tierische Produkte für nötig. Speziell der Preis für Schweinefleisch läge bereits seit langem unterhalb der Produktionskosten und deshalb sollten Schweinehalter in Zukunft einen Zuschuss bekommen, sobald der Marktpreis einen bestimmten Wert unterschreitet. So wäre wenigstens Kostendeckung (und Existenzsicherung) gewährleistet.

Außerdem hält der Wissenschaftler alle Ansätze Fleisch mit Labels zu versehen, um damit dem Verbraucher eine Differenzierung zu ermöglichen, für gescheitert. Auch die „Initiative Tierwohl“ biete keine Lösungen, denn deren Kriterien seien ebenso unwissenschaftlich wie unbrauchbar, wenn es um die Bewertung des Wohlbefindens von Nutztieren geht. Schlachtbefunde ließen nicht erkennen, dass z. B. Bioschweine mit größerem Platzangebot, sich zu Lebzeiten wohler gefühlt hätten, als Tiere aus konventioneller Haltung. Das Wahlkriterium „mehr Platz“ sei wertlos, weil praktisch keine  Unterschiede bei Organbefunden feststellbar wären.

Auch stellte Prof. Sundrum die Frage, ob es wirklich besser sei, männlichen Ferkel den einmaligen Kastrations-Schmerz zu ersparen, um dann, bei heranwachsenden Ebern, viel häufigerer Schmerzen durch Penisbeißen in Kauf zu nehmen?

Er forderte neue, wissenschaftlich fundierte Kriterien zur Beurteilung tiergerechter Haltungsformen, die vor allem auf Gesundheitsdaten basieren. So sei eine Kategorisierung von Milch anhand der Zellzahlen sinnvoll oder die Einteilung von Fleisch in verschiedene Qualitätsstufen. Hier schlägt er, wie es in den USA üblich ist, die Marmorierung als Maßstab vor.

Dem Wissenschaftler schwebt ein Prämien-System vor: Je niedriger die Zellzahlen der Milch oder je besser die Marmorierung im Fleisch, desto höher die Prämie für den Erzeuger. Ob hier allerdings Geld vom Staat fließen soll oder (auch) Abstufungen im Verkaufspreis vorzusehen sind, wurde aus dem Vortrag nicht recht ersichtlich. Auch dass Verbraucher in Deutschland heute eher ganz mageres, als weiß-gemasertes Fleisch bevorzugen, blieb außen vor.

Zum leidigen Thema „Preis“ (soweit ein Vorgriff auf den nächsten Bericht übers Kolloquium) konnte Georg Freisfeld, Schweinehalter aus dem Münsterland, Interessantes beitragen. Ganz aktuell habe die Kaufland-Kette einen Versuch in Süddeutschland regionales Schweinefleisch, mit 50-Cent-Aufschlag pro Kilo, zu verkaufen beendet. Die Einzelhändler mussten in ihren Testmärkten signifikante Absatzrückgänge hinnehmen.

Aus ganz anderem Blickwinkel betrachtete Dr. Klaus-Josef Högg die Zukunft. Der Repräsentant der Hans Adler OHG, Bonndorf sprach über „Anforderungen der Verarbeitungsindustrie an die landwirtschaftliche Fleischerzeugung“.

Besonders interessant (und zumindest für den Verfasser neu) waren seine Ausführungen zu Ebermast und Eberfleisch. Der Speck von Ebern nämlich, unterscheidet sich ganz erheblich von dem der weiblichen Tiere. Das Fett hat eine andere Zusammensetzung, ist anfälliger für Verderb und damit deutlich kürzer haltbar. Besonders bei Schinken und Rohwürsten sei dies ein großes Problem, führte  Högg aus, denn (wieder eine Wissenslücke geschlossen) allein für Tiefkühlpizza mit Wurstauflage würden in Deutschland Fleischmengen im zweistelligen Prozentbereich verarbeitet.

TK-Pizza aber, die zwölf Monate genießbar bleiben soll, darf natürlich keine ranzige Wurst enthalten. Die Anfälligkeit von Eber-Speck und –Fett ließe sich allerdings durch Futteranpassung merklich vermindern. Die entsprechende Ration sei zwar etwas teurer, aber wegen der besseren Tageszunahmen von Ebern wirtschaftlich machbar.

Auch die sogenannte „Immuno-Kastration“ böte durchaus eine Alternative, da hier die Zusammensetzung des Körperfettes positiv beeinflusst würde und gleichzeitig die Vorteile der Ebermast (aus dem Blickwinkel der Fleischverarbeitung) erhalten blieben.

Was Eberfleisch und Ebergeruch betrifft, gibt es bekanntermaßen regionale Unterschiede. In England stört sich heute niemand an gelegentlichen „sensorischen Abweichungen“ durch Eberfleisch. Und in Spanien, so wusste der Fleisch-Fachmann zu berichten, wird der etwas ranzige Geschmack von Schinken aus der Eichelmast, ganz einfach als „nussiges  Aroma“ angepriesen.

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