Heute wurde im Bundeslandwirtschaftsministerium ein dicker Band mit dem Titel „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ mit Empfehlungen zur zukünftigen Gestaltung der Nutztierhaltung in Deutschland überreicht. Das letzte Mal hatte sich der Beirat 2005 zu Wort gemeldet. Das regt zum Vergleich mit den aktuellen Empfehlungen an.
Im Jahr 2005 hieß es:
– Bei der nationalen Ausgestaltung tierhaltungsbezogener Politikmaßnahmen sollte darauf geachtet werden, dass die innergemeinschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Vieh haltenden Betriebe nicht geschwächt wird.
– Die tatsächliche Wettbewerbsrelevanz der unterschiedlichen nationalen Ausgestaltung politischer Maßnahmen und rechtlicher Rahmenbedingungen sollte wissenschaftlich untersucht werden.
– Es sollten verbesserte institutionelle Rahmenbedingungen für eine weitere Differenzierung der Produktpalette geschaffen werden, die es den am Markt Beteiligten ermöglichen, ihre Wertschöpfungsstrategie an die Anforderungen unterschiedlicher Märkte (Discount- oder Premium-Märkte mit zusätzlichen Attributen der Produkt und Prozessqualität) anzupassen.
– Die Politik sollte auf ein investitionsfreundliches Klima für die Nutztierhaltung hinwirken, damit jene Tier haltenden Betriebe, die über eine hinreichende Perspektive verfügen, die erforderlichen Anpassungsprozesse bewältigen können. Die staatliche Investitionsförderung ist zwar problematisch, jedoch in den nächsten Jahren noch erforderlich, um die erheblichen strukturellen Anpassungen an die grundlegend geänderten Rahmenbedingungen zu unterstützen. Vorübergehend könnte sogar eine finanzielle Aufstockung der Förderung geboten sein.
– Bezüglich der Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik sollte darauf geachtet werden, dass bereits mit der Halbzeitbewertung 2009 in allen Mitgliedsstaaten der EU eine vollständige Entkopplung aller Direktzahlungen von der Produktion erfolgt. Die 2003 und 2004 beschlossenen Regelungen (Teilkopplung in zahlreichen Mitgliedstaaten) benachteiligen tendenziell die Mutterkuhhalter und Rindermäster in Deutschland. Dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes.
– Für die laufenden WTO-Verhandlungen hat die EU durch die Entkopplung der Direktzahlungen bereits wichtige Vorleistungen erbracht. Von den Verhandlungspartnern wird auch der Verzicht auf Exportsubventionen gefordert; dieser Forderung sollte entsprochen werden. Im Bereich des Importschutzes sollte demgegenüber bei der Festlegung der Abbauschritte für die Zollsätze Rücksicht genommen werden auf die erheblichen Anpassungslasten, die dem europäischen Agrarsektor ohnehin schon bevorstehen.
2015 ist zu lesen:
Zu den Sofortmaßnahmen auf Ebene des Bundes gehören
(1) der Aufbau eines nationalen Tier- wohl-Monitorings,
(2) die Förderung innovativer Formen der Bürger-/Bürgerinnenbeteiligung,
(3) Qualifikationsnachweise und Fortbildungsverpflichtung für Tierhalter/-innen und Tierbetreuer/- innen,
(4) ein Informationsprogramm für Verbraucher/-innen inkl. eines staatliches Tierschutzlabels und (5) ein Forschungs- und Innovationsprogramm Tierwohl.
Die Punkte 1 bis 5 sollten idealerweise im Rahmen eines Bundesprogramms Tierwohl koordiniert und umgesetzt werden. Weitere vorgeschlagene Maßnahmen sind
(6) Ergänzungen im Tierschutzrecht,
(7) Prüf- und Zulassungsverfahren für Stall- und Schlacht-/Betäubungseinrichtungen,
(8) Umschichtung von Mitteln der 1. in die 2. Säule der GAP, um die finanziellen Spielräume für Tierwohlmaßnahmen zu erhöhen,
(9) (gemeinsam mit den Bundesländern) die Erweiterung des Maßnahmenspektrums der „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) um weitere Tierwohlmaßnahmen
(10) die Ergänzung der öffentlichen Beschaffungsordnungen um Tierschutz. Zur Vorbereitung von mittelfristig realisierbaren Maßnahmen sollte die Bundesregierung schon zu einem frühen Zeitpunkt Allianzen mit anderen EU-Mitgliedstaaten bilden und Themen setzen, um schon jetzt die nächste GAP-Reform sowie eine Tierschutzstrategie für die Verhandlungen in der WTO vorzubereiten.
Speziell zum Tierschutz führte der Beirat 2005 aus:
– verstärkte Aufklärungsmaßnahmen mit dem Ziel, den Verbraucherinnen und Verbrauchern vor Augen zu führen, dass sie durch ihr Kaufverhalten auch den Tierschutz bei den landwirtschaftlichen Nutztieren verbessern können;
– transparentere Dokumentation und Kommunikation der Auswirkungen verschiedener Haltungsverfahren auf den Tierschutz; Aufklärung über den Unterschied zwischen Produktqualität und Prozessqualität;
– Förderung der Kennzeichnung von Produkten aus besonders tiergerechter Haltung bei gleichzeitiger transparenter Darstellung der Kriterien, die der Kennzeichnung zugrunde liegen. Die Entwicklung von tierschutzorientierten Gütesiegeln durch den Staat war bislang wenig erfolgreich. Es sollte der Wirtschaft überlassen bleiben, entsprechende Markenprogramme einzuführen. Einer Positivdeklaration steht nichts im Wege;
– Unterstützung von Aktivitäten der Agrar- und Ernährungswirtschaft und des Handels, Label-Programme für Produkte aus tiergerechter Haltung aufzulegen und organisatorisch zu unterfüttern (Entwicklung von Kriterien; transparente Darstellung dieser Kriterien; Einrichtung effizienter Kontrollsysteme, Schutz vor irreführender Werbung).
2015 dazu:
Im Bereich des Tierschutzes sieht der WBA folgende wichtige Punkte als Leitlinien für die Entwicklung einer zukunftsfähigen, in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptierten Tierhaltung:
(1) Zugang aller Nutztiere zu verschiedenen Klimazonen, vorzugsweise Außenklima,
(2) Angebot unterschiedlicher Funktionsbereiche mit verschiedenen Bodenbelägen,
(3) Angebot von Einrichtungen, Stoffen und Reizen zur artgemäßen Beschäftigung, Nahrungsaufnahme und Körperpflege,
(4) Angebot von ausreichend Platz,
(5) Verzicht auf Amputationen,
(6) routinemäßige betriebliche Eigenkontrollen anhand tierbezogener Tierwohlindikatoren,
(7) deutlich reduzierter Arzneimitteleinsatz,
(8) verbesserter Bildungs-, Kenntnis- und Motivationsstand der im Tierbereich arbeitenden Personen
(9) eine stärkere Berücksichtigung funktionaler Merkmale in der Zucht.
Download der Gutachten (Kurzfassungen) 2005 und 2015..