BTK verabschiedet Resolution „Zuchtziele der Nutztierzucht unter Tierschutzaspekten“
Am 16. April 2016 hat die Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer folgende Resolution beschlossen:
Bereits seit Jahren diskutiert die Tierärzteschaft intensiv über ein Ungleichgewicht zwischen züchterischer Leistungsfähigkeit und der Gesundheit der Tiere im Nutztierbereich. Neben den klassischen Infektionskrankheiten spielen leistungs- und managementabhängige Krankheiten und Mortalitäten eine immer größere Rolle sowohl in der tierärztlichen Bestandsbetreuung als auch in der amtstierärztlichen Überwachung landwirtschaftlicher Nutztierhaltungen.
Zwar verbietet der § 11 b Abs. 1 des Tierschutzgesetzes, Wirbeltiere zu züchten, soweit zu erwarten ist, dass als Folge der Zucht die Haltung der Nachkommen nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden am Tier führt. Dennoch stehen in der Nutztierzucht und im Rahmen der Zuchtwertfeststellung bei landwirtschaftlichen Nutztieren weiterhin leistungsorientierte Kriterien im Vordergrund, ohne auf die erhöhte Anfälligkeit der Tiere ausreichend Rücksicht zu nehmen.
Die Berücksichtigung der Tiergesundheit bei der Zucht auf Leistungsfähigkeit, wie sie in § 1 Abs. 2 des Tierzuchtgesetzes gefordert wird, greift nach Auffassung der Tierärzteschaft zu kurz, um Tierschutzprobleme in der Nutztierzucht zu beseitigen, die in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit der Tiere auftreten. Für die Tierärzteschaft besteht bei geltender Rechtslage derzeit keine Möglichkeit, auf das Ungleichgewicht zwischen leistungsorientierten Zuchtzielen und damit in der Folge auftretenden Gesundheit- und Tierschutzproblemen Einfluss zu nehmen. Diese Diskrepanz wird z. B. deutlich bei der hohen Inzidenz von Erkrankungen (Schmerzen und Leiden) und der damit verbundenen verkürzten Nutzungsdauern bei Milchkühen oder bei der Geburt von mehr Ferkeln als die Sau Zitzen hat, die für die Ernährung der Ferkel notwendig sind. Managementmaßnahmen des Tierhalters und das Ausschöpfen tierärztlicher Behandlungsmöglichkeiten reichen letztendlich nicht aus, um diese züchterisch bedingten Gesundheits- und damit Tierschutzprobleme zu beseitigen.
Auch am Tier orientierte Tierschutzindikatoren, wie sie seit 1. Februar 2014 vom Landwirt erhoben und bewertet werden müssen (siehe § 11 Abs. 8 Tierschutzgesetz), finden bisher keine Berücksichtigung bei der Auswahl von Elterntieren für die leistungsorientierte Zucht.
Die aufgezeigten Gesundheitsrisiken haben eine hohe genetische Komponente, sie werden jedoch auch durch Fütterung, Haltung und das gesamte Management beeinflusst. Aus diesem Grunde unterliegen die o. a. Problembereiche einer sehr großen Streuung. Zwar sollte der Erfolg der wenigen besten Betriebe, die Hochleistungstiere angemessen versorgen und betreuen können, analysiert und zur Verbesserung der Gesamtsituation genutzt werden, sie können jedoch nicht zur Rechtfertigung der augenblicklichen Ausrichtung in der Leistungszucht verwendet werden.
Die Bundestierärztekammer fordert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft daher auf:
1. von der Ermächtigungsgrundlage des § 11 b Abs. 4 Tierschutzgesetz Gebrauch zu machen und über eine Rechtsverordnung erblich bedingte Krankheitsrisiken in der Nutztierzucht näher zu bestimmen und die Zucht mit bestimmten Nutztierrassen bzw. Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen § 11 b Abs. 1 Tierschutzgesetz führen kann.
2. konkrete Ausführungsbestimmungen für die Verpflichtung der Landwirte zur Erhebung und Bewertung tierbezogener Tierschutzindikatoren gemäß § 11 (8) TierSchG zu erlassen und zu verfügen, dass im Rahmen der risikoorientierten Fachrechtskontrollen landwirtschaftlicher Betriebe die Umsetzung dieser Verpflichtung kontrolliert wird.
Quelle: BTK