Agrar- und Ernährungsforum präsentiert Positionspapier auf der „EuroTier“
Die unterschiedlichen und teils miteinander konkurrierenden Tierschutzpläne oder Tierwohlinitiativen von Bund, Ländern, Wirtschaft und Verbänden sollten zu einer nationalen Gesamtstrategie zusammengeführt werden. Dies fordert ein Positionspapier des Agrar– und Ernährungsforums Oldenburger Münsterland (AEF), das heute während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und dem Deutschen Tierschutzbund vorgestellt wurde. „Wir wollen die Nutztierhaltung auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie in der Praxis erprobter Haltungsbedingungen messbar verbessern und ökonomisch verträglich mit den gesellschaftlichen Erwartungen in Einklang bringen“, erläuterte der AEF-Vorsitzende und Landwirtschaftsminister a.D., Uwe Bartels, den Kern des Positionspapiers.
Dazu hat das AEF nach eigenen Angaben Grundsätze und Rahmendaten formuliert, die es als Angebot an die Politik und als Geschäftsgrundlage zur konstruktiven Mitwirkung an der Umsetzung des Tierschutzplans ansieht. So wird gefordert, dass verbindliche Entscheidungen zu Tierschutzprojekten nur auf der Grundlage wissenschaftlicher und durch Praxiserfahrung abgesicherter Erkenntnisse getroffen werden. „Von einer Festlegung absoluter Umstellungsdaten sollte zugunsten zeitlicher Meilensteine verzichtet werden, bei denen dann entschieden wird, wie weiter zu verfahren ist“, so das AEF.
Zwingend sei auch eine umfassende Folgeabschätzung des jeweiligen Vorhabens des Tierschutzplans unter Berücksichtigung der Wertschöpfungskette, um Tierschutzprobleme nicht zu exportieren, Strukturwandel nicht zu befördern oder das Tierwohl zu verschlechtern. Auch sei es sinnvoll, der kritischen Öffentlichkeit zu sagen, dass Veränderungen nicht auf Knopfdruck in der Realwirtschaft vollzogen werden können, so das AEF. Dem Lebensmitteleinzelhandel fällt nach Einschätzung des AEF eine Schlüsselrolle aufgrund seiner Marktmacht zu. Er solle zu langfristigen Verträgen bei seiner Beschaffungspolitik bereit sein und Nahrungsmittel nicht in Preiskämpfen zu Dumpingpreisen verramschen.
Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer begrüßte die Initiative des AEF und das ausdrückliche Bekenntnis der Agrarwirtschaft zum Tierschutzplan des Landes. Er stellte ein hohes Maß an Übereinstimmung mit den Forderungen und Grundsätzen fest. Der Minister bestätigte noch einmal, dass er zur Umsetzung des Tierschutzplans keine verbindlichen Vorgaben machen werde, wenn eine Verschlechterung des Tierwohls im Vergleich zu vorher damit verbunden wäre. Das bedeute zum Beispiel für das Schwänzekupieren, dass Ende 2015 eine Evaluierung der bisherigen Ergebnisse insbesondere aus den Praxisbetrieben gemeinsam vorgenommen und im Lichte dessen entschieden werde, wie es in der folgenden Phase weitergehe.
Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer: „Es ist ein großer und erfreulicher Schritt für den Tierschutz, dass wir gemeinsam mit Landwirten, Ernährungswirtschaft, Handel und Verbrauchern auf sachlicher und wissenschaftlicher Basis für mehr Tierwohl im Stall sorgen wollen“, sagte Agrarminister Christian Meyer. „Niedersachsen übernimmt mit seinem Tierschutzplan schon jetzt bundesweit eine Vorreiterrolle. Die Auffassung des AEF, unseren Tierschutzplan als Handlungsrahmen für ein bundeseinheitliches Vorgehen zu machen und all die vielen Initiativen fachlich und politisch zu bündeln, teile ich. Die ausgestreckte Hand der Wirtschaft sollten wir unbedingt annehmen. Das wäre auch ganz im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher, die Wert auf eine klare, transparente Umsetzung und Information legen.“
Eine bundesweite Tierschutz-Strategie müsse die gesamte Wertschöpfungskette vom Landwirt bis zum Lebensmitteleinzelhandel einbeziehen, forderte Bartels bei der Präsentation des Papieres. „Wir wollen unsere Tierhaltung so ausrichten, dass sie den ethischen Tierwohl-Ansprüchen der Gesellschaft an die Nutztierhaltung genügt“, sagte Bartels. Der niedersächsische Tierschutzplan könne dabei als „Roadmap“ dienen. Allerdings müssten die notwendigen Veränderungen in der Tierhaltung für die Betriebe leistbar sein, so Bartels. „Und die höheren Produktionskosten müssen über den Ladenpreis honoriert werden.“ Das Oldenburger Münsterland ist Schwerpunkt der Nutztierhaltung in Deutschland. Zum Tierwohl gehören laut dem AEF-Papier sowohl der Gesundheitsstatus der Tiere, ein sachkundiges Tierhaltungsmanagement und die Möglichkeit tiergerechten Verhaltens.
Auch der Deutsche Tierschutzbund unterstütze die generelle Ausrichtung des AEF-Papiers, sagte dessen Präsident Thomas Schröder. „Die Probleme sind bekannt, ja anerkannt, und die Lösungen liegen auf dem Tisch“, so Schröder. „Es geht nun auch im Oldenburger Münsterland nicht mehr darum, ob überhaupt verändert werden muss, sondern wie verändert wird. Diesen Mehrheitswunsch aus der gesellschaftlichen Mitte hat das AEF erkannt.“ Und das gelte es anzuerkennen. „Das macht auch klar, dass unter anderem die niedersächsische Landesregierung und deren Landwirtschaftsminister Christian Meyer mit dem niedersächsischen Tierschutzplan auf dem richtigen Weg sind“, fügte Schröder hinzu. „Aber es ist nicht das Ende der Fahnenstange. Hoffen wir, dass den Worten jetzt zeitnah Taten folgen. Die Akteure im Forum haben es in der Hand“, so der Präsident des Tierschutzbundes.
In Niedersachsen soll, nach Angaben des Ministeriums, laut Tierschutzplan unter anderem das Kürzen von Schnäbeln bei Legehennen und das Abschneiden des Ringelschwanzes bei Schweinen beendet werden. Außerdem wurden gemeinsam mit der Wirtschaft Tierschutzindikatoren entwickelt, an denen eine bessere Tierhaltung gemessen werden kann. Das Land fördert Projekte und Forschungen im Rahmen des Tierschutzplans mit erheblichen Landesmitteln. So wird eine Datenbank für Hinweise zur Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes genauso finanziert wie größere Projekte zum Verzicht auf das Schnäbelkürzen in konventionellen Ställen, zusammen mit der Geflügelwirtschaft. Im Lenkungsausschuss des Tierschutzplans sind Landvolk, Wissenschaft, Wirtschaft und Handel genauso vertreten wie der Deutsche Tierschutzbund, Ökobetriebe und Kirchen.