Am gestrigen ersten Tag der jährlichen Tagung „Aktuelle Probleme des Tierschutzes“ an der TiHo Hannover, drehten sich gleich zwei Referate um den „Kastenstand im Deckzentrum“. Nach einem Urteil des OVG Sachsen-Anhalt soll diese Art der Fixierung von Sauen im Deckzentrum ein Ende haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, das Verfahren ist derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Prof. Friedhelm Jäger (MKULVNV, NRW) skizzierte die Gutachten, die in den letzten Jahren zum Thema vorgelegt wurden: EFSA 2005 (während des Reproduktionszyklus verspüren Sauen einen verstärkten Drang zu sozialer Interaktion), KTBL 2006 (gesundheitliche Nachteile des Kastenstands, wie Klauenkrankheiten und Herz-Kreislauf-Probleme) und schließlich TVT 2015 (Sauen sollten nur zur Besamung in Fress-/Liegeboxen gehalten werden).
Jäger rechnet fest mit einem Beschluss der bis heute (9. 9.) tagenden Agrarministerkonferenz, der – in Anlehnung an das dänische Modell – den Kastenstand für die Zukunft aus dem Deckzentrum verbannt. Obwohl eine Übergangsfrist von 10 bis 20 Jahren gelten dürfte, müsse aber möglichst kurzfristig ein Konzeptpapier erarbeitet werden, das den Sauenhaltern Handlungsempfehlungen für die Jahre vor Ablauf der Übergangsfrist gibt. Bis zum Jahresende will die Arbeitsgemeinschaft Tierschutz ein entsprechendes Papier vorlegen.
Auch im Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg sieht man akuten Handlungsbedarf und hat bereits Versuche zur Gruppenhaltung im Deckzentrum durchgeführt. Hansjörg Schrade betonte in seinem Vortrag, wie wichtig es sei kurzfristige (Umbau-)Lösungen parat zu haben, wenn das OVG-Urteil rechtskräftig wird.
In Boxberg wurden verschiedene Varianten getestet: 3-Flächenbucht mit Selbstfangfressständen, 2-Flächenbucht mit hydraulisch kippbaren Fressständen, 3-Flächenbucht mit Korbständen und Auslauf. Den Tieren wurden entweder Gummimatten, Strohlager oder Liegekessel angeboten. Allerdings zogen sie sich lieber in den Schutz der Selbstfangboxen zurück und nutzen das Angebot zum Gruppenliegen in den ersten beiden Versuchen nicht. Nur wenn ihnen verschiedene Klimazonen zur Verfügung standen, wechselten die Sauen die Liegeplätze. In einräumigen Deckzentren entfällt diese Möglichkeit naturgemäß und der Platzbedarf je Sau steigt in jedem Fall auf ca. 4 qm.
Bei der freien Besamung kam es im Versuch zu Störungen noch nicht rauschender Sauen, ebenso sind Fragen der Arbeitssicherheit noch zu beantwortet. Zwei besonders kritische Phasen haben die Forscher ausgemacht: das Rauscheverhalten mit Unruhe und Aufreiten zwischen dem 3. und 6./7. Tag nach dem Absetzen und die Implantation zwischen dem 11. und 21. Trächtigkeitstag.
Man darf also auf gespannt sein, ob zukünftig die Fixierung während kritischer Phasen der Rausche oder nur bei der Besamung erlaubt sein werden. Oder ob alle Kastenstände inklusive der Selbstfangbuchten verboten werden. Zukunftsorientierte Neubauten sollten in jedem Fall über Möglichkeiten zur Gruppenhaltung im Deckzentrum nachdenken und eine kürzere Verweildauer der Sauen einplanen, riet Schrade.
(Weitere Berichte von der Tagung folgen.)