07 Sep 2023

Rund 80 überregionale Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, des öffentlichen Veterinärwesens und der landwirtschaftlicher Praxis sind der Einladung des Verbunds Transformationsforschung agrar Niedersachsen (trafo:agrar) gefolgt und haben am vergangenen Donnerstag, 31. August 2023, auf der Fachtagung „Drei Jahre ASP in Deutschland – wo stehen wir?“ die Bilanz und Perspektiven des Geschehens der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Deutschland diskutiert. Dazu gehöhrten unter anderem die kommende Umsetzung des neuen europäischen Tiergesundheitsrechts (AHL) Schweinehalter und Behörden und erste Lösungsansätze aus Niedersachsen.

Anlass der vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), der Niedersächsischen Tierseuchenkasse und dem Landvolk unterstützen Tagung war der Relaunch der ASP-Risikoampel, einem kostenlosen und frei zugänglichen Onlinetool zur Risikobewertung eines Eintrags von ASP in schweinehaltende Betriebe. Die grundlegend überarbeitete Neuauflage der „ASP-Risikoampel“ kündigte Dr.in Barbara Grabkowsky, Leiterin des Verbunds trafo:agrar – dessen Koordinierungsstelle ihren Sitz an der Universität Vechta hat –, für den Nachmittag an. Zunächst präsentierten Fachleute aus Wissenschaft, Veterinärverwaltung und Wirtschaft aktuelle Aspekte und neue Entwicklungen in den Bereichen ASP-Seuchengeschehen, Impfstoffentwicklung, Vermarktung, Recht und Biosicherheit.

Prof.in Dr.in Carola Sauter-Louis, Leiterin des Instituts für Epidemiologie des FLI, stellte die aktuelle epidemiologische Lage dar. Zur Eindämmung der ASP bei Wildschweinen gebe es gute Erfahrungen mit Schutzkorridoren, deren Bewirtschaftung jedoch konsequent große Ressourcen benötigen. „Die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest erfordert erhebliche personelle und materielle Ressourcen sowie ein hohes Maß an Ausdauer. Doch die vor Kurzem erfolgte Aufhebung einiger Restriktionszonen in Deutschland stimmen uns optimistisch“, so die Bewertung der Wissenschaftlerin.

Aktuelles zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen die ASP, auch mit einem Einblick in die Forschungsergebnisse des FLI, stellte PD Dr.in Sandra Blome, stellv. Leiterin des Instituts für Virusdiagnostik des FLI, vor. Eine hinreichende Wirkung hätten bisher nur Lebendimpfstoffe zeigen können, deren Sicherheitsprofil jedoch kritischer zu beurteilen sei, besonders bei der Verabreichung an Wildschweine. Zwar gebe es inzwischen vielversprechende Impfstoffkandidaten, eine Zulassung der EMA stehe hingegen noch aus. „Auf dem Gebiet der Impfstoffforschung wurden große Fortschritte gemacht und eine Impfung von Wildschweinen in betroffenen Gebieten könnte eine mittelfristige Option sein. Im Rahmen eines EU geförderten Projekts werden wir versuchen einen oder mehrere Kandidaten zur zentralen Zulassung durch die EMA zu führen.“

Aus Sicht der Fleischwirtschaft beleuchtete Dr. Gereon Schulze Althoff, seit kurzem für das Thema Nachhaltigkeit in der Geschäftsführung der Tönnies-Gruppe verantwortlich, die Perspektive des Handels auf die Schweineproduktion in Zeiten von ASP. Mit einem klaren Bekenntnis zur heimischen Produktion, gerade unter Nachhaltigkeitsaspekten und trotz Standortnachteile durch ASP bei Wildschweinen, so Althoff, gab er einen optimistischen Ausblick auf ein wieder zunehmendes Exportgeschehen. Er betonte in seinem Vortrag, wie wichtig die Schweinehaltung für eine klimaangepasste Landwirtschaft sei. Nur mit Schweinen könne man bestimmte Kreisläufe schließen. Der Export vor allem von Nebenerzeugnissen, die in Deutschland nicht verzehrt werden, komme schrittweise zurück und wird eine wichtige Ergänzung zur Stabilisierung des Einkommens für Landwirtinnen und Landwirten sein.

Zu Anforderungen des neuen europäischen Tiergesundheitsrechts für Schweinehalterinnen und Schweinehalter referierte Dr.in Barbara Hoffmann, Leiterin des Referats Tierseuchen, EU-Handel, Internationale Fragen, Krisenzentrum im BMEL (Bonn). So wurden nach Erfahrungen mit der ASP in der EU konkretere Vorgaben in einer Durchführungsverordnung für Schweinehalter festgelegt, deren Betriebe in Sperrzonen liegen (EU-VO 2023/594). Neben stets geltenden „angemessenen Maßnahmen“ zum Schutz der Bestände würden demnach „verstärkte Maßnahmen“ in der betrieblichen Biossicherheit gefordert, welche besondere Bedeutung für eine Fortsetzung des Handels mit Schweinen und Fleischerzeugnissen in Sperrzonen erlangten. EU-rechtlich festgelegte Sperrfristen könnten so erheblich verkürzt werden.

Nach dem Überblick zur ASP-Situation galt der Nachmittag dem Blick auf die Praxis. Zu Leistungen der Tierseuchenkasse im Tierseuchenfall berichtete Dr.in Ursula Gerdes von der Niedersächsischen Tierseuchenkasse, in welchen Fällen Entschädigungen erfolgen oder auch versagt werden. Anschaulich untermauerte diese Ausführungen die Tierärztin Leonie Klein, die an der Tierärztlichen Hochschule Hannover Untersuchungen zur Biosicherheit in schweinehaltenden Betrieben durchführte. Demnach bestünden noch große Defizite in der Umsetzung von Biosicherheitsmaßnahmen, was vor dem Hintergrund der Sicherung gesunder Tierbestände kritisch zu bewerten sei. Für den Verbund trafo:agrar stellte Dr.in Maria Gellermann die überarbeitete und aktualisierte „ASP-Risikoampel 2.0“ vor. Zahlreiche Fachleute hätten auch mit Unterstützung des FLI, der Niedersächsischen Tierseuchenkasse und des Landvolks Niedersachsen daran mitgewirkt, das Online-Tool zu aktualisieren. Die neue ASP-Risikoampel könne in Niedersachsen dabei ein Element eines künftig erforderlichen betriebsindividuellen Biosicherheitsplans sein, so die Projektleiterin. Mit spannenden Erfahrungen aus Sicht einer Tierversicherung beendete Albert Ziegler, verantwortlich für die Produktentwicklung im Bereich Landwirtschaft bei der R+V-Versicherung (Wiesbaden) die Tagung. Er erläuterte am Beispiel des ASP-Geschehens in Emsbühren die Vorteile einer Ertragsschadenausfallversicherung und stellte hierzu Kalkulationen vor.

In den Diskussionen wurde besonders deutlich, dass für die Umsetzung des neuen EU-Tiergesundheitsrechts in die Praxis noch Fragen offenblieben, so der Verbund trafo:agrar. „Niedersachsen habe nun erstmals einen breit aufgestellten Vorschlag zur Umsetzung vorgelegt, so das Fazit, bevor die Tagung mit dem Appell schloss, auch künftig weiter nur gemeinsam und mit Augenmaß auf allen Ebenen die Herausforderungen der ASP und der Umsetzung des neuen EU-Rechts in die Praxis fortzusetzen.“

Quelle: Universität Vechta

 

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