21 Aug 2015

Tierwohl im Fokus

Auf dem 27. Deutschen Tierärztetag wird es um Qualzuchten bei Klein- und Heimtieren, tierärztliche Bestandsbetreuung und den Berufsethos gehen

Vom 28. bis 30. Oktober 2015 lädt die Bundestierärztekammer (BTK) zum größten berufspolitischen Treffen, dem Deutschen Tierärztetag. Die dreitägige Veranstaltung, die allen mehr als 39.000 deutschen Veterinärmedizinern zur Teilnahme offensteht, wird in diesem Jahr in der Weltkulturerbestadt Bamberg ausgerichtet. Von der Bundestierärztekammer alle drei Jahre in einer anderen Stadt organisiert, werden auf dem Deutschen Tierärztetag aktuelle fachliche und berufspolitische Themen in verschiedenen Arbeitskreisen beraten und diskutiert. Als Ergebnis sollen Forderungen an die Politik oder Verbände formuliert und dann in der Hauptversammlung von den Delegierten aus allen 17 Landes-/Tierärztekammern und Beobachterorganisationen abgestimmt werden. Den interessierten Tierärzten stehen drei verschiedene Arbeitskreise unter der Leitung veterinärmedizinischer Experten aus Praxis, Forschung und Lehre zur Teilnahme offen:

Im Arbeitskreis 1 geht es um „Zucht und Qualzucht von Klein- und Heimtieren“: Die seit geraumer Zeit populären Hunderassen wie Möpse, Englische oder Französische Bulldoggen haben aufgrund ihrer extremen „Übertypisierung“ mit starken, manchmal ganz offensichtlichen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Auch Zuchtziele bei Katzen und bei anderen Heimtieren können Krankheiten und Schmerzen an Gelenken, Haut oder anderen Organen begünstigen. Einige Zuchtverbände bemühen sich zwar gegenzusteuern, doch die Orientierung an bestimmten optischen Merkmalen verursacht weiterhin ein großes Maß an Leiden und Schäden.

Unter fachlicher Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Kramer, Gießen, und Dr. Friedrich Röcken, Schleswig, soll auf dem Tierärztetag diskutiert werden, wie Tierärzte hier im Sinne des Tierwohls einwirken und aufklären können, und wie sie ihre Rolle als Schnittstelle zwischen Züchtern, Tierbesitzern und Politik definieren. Insbesondere soll geklärt werden, weshalb in diesen Fällen das Tierschutzgesetz und das Qualzuchtgutachten nicht greifen, warum extreme Zuchtziele wie Haarlosigkeit oder Kurzköpfigkeit nicht verboten werden, wie man Züchter und potenzielle Käufer aufrütteln kann oder welche Instrumente der Überwachung fehlen, um Zuchtverbote auszusprechen.

Der Arbeitskreis 2 „Tierärztliche Bestandsbetreuung – Garant für Tierwohl und sichere Lebensmittel?!“, geleitet von Univ.-Prof. Dr. Rolf Mansfeld, Oberschleißheim, und Dr. Georg Bruns, Steinfeld, wird sich damit beschäftigen, wie optimierte Haltungsbedingungen, richtiges Management und systematische tierärztliche Betreuung die Tiergesundheit befördern und damit auch den Einsatz von Arzneimitteln reduzieren können.

Kritisch diskutiert wird hier beispielsweise die Frage, ob eine fachgerechte Beratung im Rahmen der Bestandsbetreuung dazu geeignet ist, beim Tierhalter ein Mehr an Tierwohl zu bewirken oder im Gegenteil nur der Erhaltung der Wirtschaftlichkeit suboptimaler Haltungsbedingungen dient.

Um „Veränderungen in der Mensch-Tier-Beziehung: Der Tierarzt im Spannungsfeld von Vernunft und Emotion“ wird es schließlich im Arbeitskreis 3 gehen. Heimtiere und Pferde haben heute eine hohe emotionale Wertigkeit, sie werden als Familienmitglieder und Sozialpartner betrachtet. Viele Besitzer würden darum auch extrem hohe Kosten in Kauf nehmen, um das Tier am Leben zu erhalten, selbst wenn es dabei leidet. Andere Heimtierbesitzer bevorzugen eher „kostengünstige“ Lösungen, insbesondere das Einschläfern des Tieres. Ganz anders bei den Nutztieren: Der monetäre Wert des Einzeltieres ist hier nicht nur beim Geflügel, sondern auch beim Schwein und zunehmend sogar beim Rind oft so gering, dass viele Tierbesitzer eine Behandlung nicht durchführen lassen, auch wenn sie möglich wäre.

Welchen Problemen und Konflikten Tierärzte dabei ausgesetzt sind und welche medizinischen, ethischen und juristischen Fragen aufgeworfen werden, wollen Prof. Dr. Thomas Richter, Nürtingen, und Priv.-Doz.in Dr. phil. habil. Dipl. Psych. Andrea M. Beetz, Erlangen, in ihrem Arbeitskreis nachgehen. Im Mittelpunkt wird dabei u. a. die Frage stehen, ob sich Tierärzte durch ihre Ausbildung gerüstet fühlen, die Frage „Tierwohl versus oder gleich medizinisch Mögliches“ zu beantworten.

Doch nicht nur gearbeitet und diskutiert werden soll in der Weltkulturerbestadt Bamberg. Neben der „Robert-von-Ostertag-Plakette“, dem Ehrenzeichen der BTK, und dem Förderpreis der Akademie für Tiergesundheit wird am letzten Veranstaltungstag auch der Medienpreis der Bundestierärztekammer verliehen.

Weitere Informationen auf der Website der Bundestierärztekammer

Quelle: BTK

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