25 Sep 2016

Promi-Stall 2016 – die Kandidaten

Auch „Tierrechtler“ träumen vom Jackpot. Nachdem sie in den letzten Jahren bei Lieschen Müller, Fritz und Franz eingestiegen sind, gelingt ihnen doch tatsächlich der ganz große Coup: Filmaufnahmen aus dem Promi-Stall. Bingo!

Auch wenn die Aufnahmen alles andere als aktuell sind, sendet „Panorama“ am Donnerstag den Knüller (nach zwei aufrüttelnden Berichten über Hakenkreuzorden und Fahrraddiebstahl).

Die Ausstrahlung mit juristischen Mitteln zu verhindern, ist den betroffenen Tierhaltern nicht gelungen, einige geben dann am Tag der Sendung Erklärungen ab und Johannes Röring lädt die Presse zum Hofbesuch ein. Gemeinsam mit Sohn und Hoftierarzt nimmt er detailliert Stellung zu allen Vorwürfen. Die sehr plausiblen Erklärungen, speziell des Tierarztes, kann sich ein jeder auf YouTube anschauen. Am Samstag.

Wer aber tut das überhaupt? Die 3,2 Mio. Panorama-Zuschauer wohl kaum. Journalisten der überregionalen Medien? Vielleicht – aber berichten sie auch ein zweites Mal zum Thema?

Und was hätte man nicht alles thematisieren können, anhand der gezeigten Bilder. Denn es ist alles dabei:

Schmutzige Kühe!
Das passiert leicht, wenn sie auf Stroh gehalten werden.
Verkratzte Schweine!
Als Rudeltiere brauchen Schweine eine Rangordnung und sind bei deren Klärung nicht eben zimperlich.
Kranke Tiere!
Natürlich können auch Tiere krank werden. Allerdings reicht hier das Spektrum von „Kinder-“ bis zu „Produktions-Krankheiten“.
Kannibalismus!
Ist bei Schweinen und Geflügel nicht normal, sondern eine Verhaltensstörung, für die mögliche Auslöser im Dutzend bekannt sind.
Tote Tiere!
Kommen vor: In der Schweinemast zwischen 1 und 2 %, bei Puten, Hähnchen, Hühnern von 8% aufwärts. Aber es werden auch Schweine gezeigt, mit erkennbar alten, unbehandelten Verletzungen und Geflügel-Kadaver, die nicht erst seit ein paar Stunden auf dem Boden liegen. Das darf nicht sein!

Nicht lebensfähige Ferkel müssen laut Tierschutzgesetz notgetötet werden und wie das zu geschehen hat, regelt ein entsprechender Erlass. Die Tiere mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen ist auf keinen Fall zulässig. Klarer Verstoß!

Die Liste ließe sich fortführen. Eine Kleinigkeit fehlt dagegen bei diesen (wie bei allen anderen) Bildern einschlägiger Organisationen. Die Möglichkeit zur Überprüfung nämlich. Sendet das Fernsehen Bilder aus dem Syrienkrieg, darf nie der Hinweis fehlen „ihre Echtheit konnte nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden“. Dagegen genießen „Tierschützer“ unbegrenztes Vertrauen.

Aber:
Ist ein totes Schwein in der Bucht tatsächlich hier verendet oder kurz vorher abgelegt worden? Der Kadaver sieht jedenfalls alles andere als „frisch“ aus, andererseits ist ein ziemlich ausgemästetes Schwein nicht gar so leicht zu transportieren. War die Luft im Stall wirklich so schlecht, wie die Messung es anzeigt oder hat kurz mal jemand die Lüftung abgeschaltet? Stehen die Schweine tatsächlich zentimeterhoch in der Gülle oder hat nur einer am Schieber gespielt? Stammen die Bilder kranker Tiere aus dem Maststall oder aus einem Krankenabteil? Und schließlich: war die lange Produktionszeit am Ende nötig, um auf die „erforderliche“ Zahl kranker Tiere zu kommen?

Die Auswahl der veröffentlichten Bilder erlaubt einiges an Kommentaren, lässt aber doch mehr Fragen offen als sie beantwortet. Gerade das Laienpublikum aber, mithin die Hauptzielgruppe von ARD wie Ariwa, ist völlig überfordert und einfach nur entsetzt.

Statt bis zum letzten Moment zu versuchen, den TV-Beitrag mit juristischen Mitteln zu verhindern, wäre eine frühere Stellungnahme der Betroffenen sinnvoll gewesen. Zahlreiche Landwirte hätten es lieber gesehen, wären ihre Verbandsvertreter in die Offensive gegangen, sobald sie den Plan der Sendung kannten.

Aber auch das wäre eigentlich zu spät gewesen, denn es gibt einfach viel zu viel zu erklären. Wie sieht es in ganz normalen Ställen wirklich aus? Welche Krankheiten befallen unsere Nutztiere und was tut der Landwirt dagegen? Gibt es einen Plan zur Verbesserung der Nutztierhaltung in Deutschland und wann wird er umgesetzt?

Hochglanzbroschüren und Imagefilme gibt es weiß Gott genug. Was den Verbänden fehlt ist der Mut, Normalität zu zeigen, kritische Punkte offensiv anzugehen und auch Schwächen im System zu bekennen. Der Weg zu einer „zukunftsfähigen Landwirtschaft“ ist dreilagig mit Zielkonflikten gepflastert. Akzeptable und praktikable Lösungen zu finden wird verdammt mühsam und es ist keine kostbare Zeit zu verlieren. Wenn Landwirtschaft in Deutschland eine Zukunft haben soll, muss sie raus aus der Defensive. Wer den Säuen, die tagtäglich durchs Dort getrieben werden, nur immer nachläuft, dem bleibt bald die Luft weg.

PS: Wenn all die großen Fragen beantwortet sind, können wir uns auch Nebensächlichkeiten zuwenden. Ob sich Medienschelte und Verhaltens-Tipps gegen Stalleinsteiger als vertrauensbildende Maßnahmen eignen? Und ob Saure Gurken im September schon ausverkauft sind und deshalb Schweinehalter herhalten müssen, zusammen mit Fahrraddieben und Nazi-Nippes?

Bild: Schwein im Krankenstall.

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