05 Jun 2015

Kooperationsveranstaltung „Tierwohl“ in Vechta

Am 2. Juni luden das „agrar + ernährungsforum Oldenburger Münsterland“, die „Wachstumsregion Hansalinie“, die „Landesinitiative Ernährungswirtschaft NIEKE“ sowie die „Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands“ zu einer Vortragsveranstaltung rund ums Thema Tierwohl ein. Der große Saal im Kreishaus Vechta war bis auf den letzten Platz gefüllt, was sicherlich dem Thema, aber auch den Referenten geschuldet war.

Uwe Bartels, Minister a.D. und Vorsitzender des AEF OM, sagte eingangs, dass die unüberhörbare Kritik an Landwirtschaft und Nutztierhaltung beileibe nicht aus heiterem Himmel käme. Er verwies auf Diskussionen um die Käfighaltung von Legehennen vor nunmehr 40 Jahren. Die Signale aus Gesellschaft und Medien seien jedoch nicht ernst genug genommen worden. Umgekehrt aber wären auch Veränderungen und Verbesserungen bei der Nutztierhaltung in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen worden. Deshalb forderte er von den Bauern „Veränderungsbereitschaft, Sensibilität und Aufklärung vor Ort.“

Aber auch die Politik sieht Bartels in der Pflicht Einer Landwirtschaft, die sowohl auf Wochen- als auch Weltmarkt bestehen soll, sei mit zwölf „Runden Tischen“ und einem regelrechten Ankündigungswettlauf der Landesminister nicht geholfen. Für eine nationale – und in Europa abgesicherte – Strategie, könne der niedersächsische Tierschutzplan die Roadmap bilden. Statt fixer Termine für die Umstellung von Haltungsformen empfiehlt Bartels allerdings mehr Flexibilität. Bei besonderen „Meilensteinen“ müsse man sich an die richtigen Lösungen herantasten. Helfen soll dabei ein Expertenpool, mit dessen Hilfe bundesweit gesammelte Erkenntnisse den Landwirten zur Verfügung gestellt werden können.

Gert Lindemann, Minister a.D. und Vorsitzender des Kompetenzkreises Tierwohl des BMEL, berichtete über Strategie und Pläne des Bundesministers. Christian Schmidt setze – zumindest für die nähere Zukunft – auf Konsens-Lösungen. Freiwillige Verbindlichkeit und Wissenschaftlichkeit seien hier die Stichworte. Allerdings werde es sicherlich neue gesetzliche Regelungen für Transport und Schlachtung geben.

Auch wolle Deutschland, zusammen mit Dänemark und den Niederlanden, Vorschläge an die EU ausarbeiten. Interesse an einem konzertierten Vorgehen hätten ganz aktuell auch Schweden und Frankreich bekundet. Tierschutz könne nur international und im Rahmen der EU wirklich vorangebracht werden.

Die wichtigsten Schritte aus Sicht des BMEL sind 1. Zulassungsverfahren/Typenzulassung für Stallanlagen, 2. das Ende nicht-kurativer Eingriffe am Tier innerhalb von 3-5 Jahren, 3. die Verbesserung der Sachkunde beim Tierhalter (Fortbildungsverpflichtung), 4. verbesserter Tierschutz bei der Schlachtung (Betäubung, Schlachtung tragender Tiere) und 5. Stärkung des Verbraucherbewusstseins.

Anne-Marie Keding, Staatssekretärin im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, stellte die Frage „Ist Akzeptanz für die moderne Tierhaltung in der Gesellschaft erreichbar?“ Nicht nur in Bundesländern mit geringer Viehdichte wie Sachsen-Anhalt, ändere sich das Verständnis für Landwirtschaft. Der Bevölkerungsanteil der Bauern sinke seit Jahren und die Landbewohner von heute nähmen Landwirtschaft ganz anders wahr als vergangene Generationen.

So wie sich im Ruhrgebiet, nach Ende der Bergbau-Ära, die Einstellung zur Luftqualität verändert habe, sei es heute in ländlichen Regionen. „Wer selber grillt, den stört der Qualm vom Nachbarn nicht“, fasste die Referentin treffend das Geschehen im Bild.

Prof. Dr. Achim Spiller, Agrarökonom von der Göttinger Georg-August-Universität, bot eine Zusammenfassung der Empfehlungen des Gutachtens „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“. Insbesondere hob er den dort anvisierten Zeitrahmen für grundlegende Veränderungen hervor (Umsetzung bis 2030), die Gesamtkosten (jährlich zwischen 3 und 5 Mrd. Euro) und die Mehrkosten in der Produktion (3% bei Milchvieh, 34 % in Geflügel- und Rindermast).

Zur Finanzierung des Mammutprojekts empfiehlt der Beirat ein Drei-Säulen-Modell: zahlungswillige Konsumenten (die über ein staatliches Label angesprochen werden sollen), die Initiative Tierwohl und den Steuerzahler. Die Idee Mittel aus der bisherigen Agrarförderung umzuwidmen, stieß beim Publikum allerdings auf wenig Begeisterung.

Peter Wesjohann, Vorstandsvorsitzender der PHW-Gruppe stellte in seinem Vortrag die Frage: „Wie lässt sich der Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Tierschutz auflösen?“

Von den 50er Jahren, als 50-prozentige Verlustraten an der Tagesordnung waren, habe sich sein Familien-Unternehmen, dank integrierter Produktion meilenweit entfernt. Von der Zucht der Elterntiere über die Futtermittel-Produktion bis zur Schlachtung.

Auch Antibiotika-Reduktion beginne mit dem Tier. Bei Wiesenhof würden bereits die Schalen der Bruteier desinfiziert, um den Embryo zu schützen. Und wenn anschließend der Landwirt die Hygiene in seinem Stall ebenfalls im Griff habe, sei auch Hühnerhaltung mit minimalem Antibiotikaeinsatz möglich.

Anschließend schilderte Wesjohann die verschiedenen Alternativ-Angebote aus seinem Haus: Ein Biohähnchen, seit 2002 im Angebot, habe während des BSE-Skandals den höchsten Absatz verzeichnet. Weidehähnchen wurden zwischen 2003 und 2007 angeboten, verschwanden aber nach einer Vogelgrippe-Epidemie wieder im Stall. Und das „Privathofhähnchen“, von dem heute immerhin zwischen 120.000 und 160.000 Stück pro Woche verkauft würden.

Aber auch wenn heute in Deutschland und den Niederlanden wöchentlich 300.000 Hähnchen langsam wachsender Rassen verkauft würden, gäbe es doch auch Verbraucher, die nicht mehr zahlen könnten und solche die nicht mehr zahlen wollten. Hier beginne die echte Wettbewerbs-Herausforderung.

Die Standards in Deutschland seien heute bereits höher als in den USA, Frankreich und erst recht der Ukraine. Convenience-Produkte kämen heute zu fast 100% aus Brasilien und Thailand. Deswegen forderte der Unternehmer „Evolution statt Revolution“ bei der Umstellung auf anspruchsvollere Haltungsformen.

Die gesamte Veranstaltung moderierte Prof. Thomas Blaha gewohnt souverän und bat zum Schluss nochmals alle Redner zur Diskussion. Recht schnell war man sich auf dem Podium einig, dass vor allem eine deutliche Verbesserung der Kommunikation nötig sei und es in Zukunft gelte mehr zu agieren, statt nur zu reagieren.

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