06 Mai 2016

Konstruktiver Journalismus

„Tödliche Keime“ waren in den letzten Jahren mehr als einmal Pressethema. Die „ZEIT“ hat für ihre Serie dazu sogar einen Preis bekommen (die dreiköpfige Jury wurde schließlich vom Geschäftsführer des Blattes angeführt).

Jetzt aber kündigte der WDR an, er wolle ein neues Format etablieren, das dem Konzept des „konstruktiven Journalismus“ folgt und lud auch gleich die einschlägigen „Stakeholder“ zur Diskussion. Tatsächlich setzten sich Vertreter aus Politik, Landwirtschaft, Human- und Veterinärmedizin für zwei Stunden auf malerische Strohballen und diskutierten intensiv.

Im Zusammenschnitt des WDR ist davon allerdings nichts zu sehen oder hören. Denn unter „konstruktivem Journalismus“ verstehen die Kölner Fernsehmacher nicht etwa das Abbild einer kontroversen Diskussion. Nein, sie garnieren eine bereits zuvor konstruierte Geschichte mit den passenden „sound bites“. Wenn zwei Stunden Rohmaterial zur Verfügung stehen, ist das schließlich keine Kunst und das Ergebnis verleiht „konstruktivem Journalismus“ eine ganz eigene Bedeutung.

Das TV-Motto: „Die Geschichte ist längst fertig, jetzt fehlen nur noch passende Bilder“, ist hinlänglich bekannt. Und auch in diesem Film ist bereits nach einer Minute die Botschaft klar: Massentierhaltung hat Schuld an zigtausende Toten, denn multiresistente Keime haben ihren Ursprung „oft im Tierstall“.

Geschieht etwas oft, denkt der Laie gern es käme häufig vor. Jedoch liegen für multiresistente Keime belastbare Zahlen vor: 2% der MRSA-Infektionen in Deutschland lassen sich auf Keime zurückführen, deren Ursprung im Nutztierstall liegt. Da staunt der Laie dann wohl eher.

Mithilfe ihrer Kollegen vom Studio Münster hätten auch die konstruktiven Kölner herausfinden können, wie häufig LA-MRSA schuld an Infektionen ist. Denn in der Uniklinik Münster koordiniert Dr. Robin Köck seit 2010 den Forschungsverbund „MedVetStaph“, der im Laufe seiner Arbeit auch die genannten 2% ermittelt hat. Aber häufig stören Fakten nur (und den Fachmann wundert das schon lange nicht mehr).

Zum Schluss noch eine Mitteilung an alle Zuschauer, die sich währen der Sendung um Johannes Röring Sorgen gemacht haben: Der WLV-Präsident war nicht durch einen Stimmbandkatarrh am Sprechen gehindert, seine Wortbeiträge wurden einfach nur vollständig eliminiert.

Wer sich das Konstrukt nochmals ansehen möchte, findet es in der WDR-Mediathek nicht (mehr). Alle Beiträge der betreffenden „Markt“-Folge sind einzeln abrufbar – nur dieser eine nicht. Komisch oder?! Aber es gibt die ganze Sendung als Konserve und auch die Antibiotika-Geschichte zu sehen. Einfach auf den Link klicken und bis Minute 25:36 vor spulen.

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