07 Feb 2015

GRÜNE stellen Aktionsplan „Kampf gegen Antibiotika-Missbrauch“ vor

Bündnis 90/Die GRÜNEN stellten gestern auf ihrer Website einen Aktionsplan „Kampf gegen Antibiotika-Missbrauch“ vor und warnen vor einem drohenden „postantibiotischen Zeitalter.“

Sie führen dazu aus: „EU-Länder wie Dänemark und die Niederlande haben die Gefahr erkannt und umfassend reagiert.“ Tatsächlich sind die Niederlande nach offiziellen Zahlen sehr weit gekommen, bei der Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung. Und mindestens ebenso konsequent sind auch ihre Maßnahmen in der Humanmedizin.

Im Falle Dänemarks gibt es jedoch Fragen. Zwar haben die Dänen das Dispensierrecht für Tierärzte abgeschafft, Antibiotikamonitoring und ein „Gebe/Rote-Karten-System“ eingeführt, aber trotzdem steht das Land aktuell vor den größten Problemen. 77 % aller im Jahr 2013 bei dänischen Schlachthöfen angelieferten Schweine trugen MRSA (2012: 44%). Nach Angaben des dänischen Serum Instituts (SSI), machte die CC398-Variante im Jahr 2007 einen Anteil von zwei Prozent aller MRSA-Fälle aus, 2014 aber lag der Anteil auf 35 Prozent.

Zwar erwähnen die „GRÜNEN“ AMG-Novelle samt verpflichtender Verbrauchserfassung, trotzdem jedoch fehlt ihrer Einschätzung nach der deutschen Bundesregierung „für die dringend erforderliche Senkung des Antibiotikaverbrauchs der politische Wille.“

Was, außer einer Verbrauchssenkung, soll aber herauskommen, wenn jene Betriebe die im letzten Viertel der Verbrauchsstatistik zu finden sein werden, ein Antibiotika-Minimierungskonzept erarbeiten müssen? Aktuell werden übrigens gleich drei Verbrauchsdatenbanken in Deutschland geführt: jene des staatlichen Monitorings, eine von QS und schließlich VetCab.

Der Hinweis auf den gestiegenen Verbrauch von „Reserveantibiotika“ in der Tierhaltung, bezieht sich offensichtlich auf die Fluorchinolone im Vergleich der Jahre 2012 und 2013. Allerdings war dies, nach Angaben des BpT-Präsidenten Dr. Hans-Joachim Götz, der Influenzawelle bei Puten im Frühjahr 2013 geschuldet, von der etwa zwei Millionen Puten in Deutschland betroffen waren.

Der Anteil der Reserveantibiotika am Gesamtverbrauch in der Nutztierhaltung liegt bei 1,2 %. Kordula Schulz-Asche (MdB, Bündnis 90/ Die GRÜNEN) beziffert den Anteil der Verschreibungen von Reserveantibiotika in der Humanmedizin mit 50%.

„Für die Krankenhäuser verschärfen die resistenten Keime aus der Massentierhaltung die ohnehin vorhandenen Resistenzprobleme“ konstatieren die „GRÜNEN“ und haben damit Recht. Denn in Deutschland sind tatsächlich 2 % der MRSA-Infektionen beim Menschen auf LA-MRSA zurückzuführen.

Den sechs Punkte des Aktionsplans vorangestellt ist das Versprechen: „Wir stehen an der Seite der vielen Bäuerinnen und Bauern, die Ihre Tiere gesund und mit so wenig Antibiotika wie möglich aufziehen“. Hier dürfte sich die weit überwiegende Mehrzahl aller Nutztierhalter angesprochen fühlen, muss es doch deren Ziel sein, Gesundheit und damit Leistungsfähigkeit ihrer Tiere zu erhalten, um den wirtschaftlichen Erfolg ihres Betriebes nicht zu gefährden.

In sechs Punkten nennen die „GRÜNEN“ ihre Forderungen:

1. Nur ausnahmsweiser Einsatz von Reserve-AB nach Antibiogramm – ist gängige Praxis in der Veterinärmedizin (jedoch nicht unbedingt in der Humanmedizin).

2. Dass Mengenrabatte einen Zwang zum Verkauf verursachen ist ein unbelegter Effekt. Allerdings sind Mengenrabatte in allen Wirtschaftszweigen verbreitet und werden in der Veterinärmedizin von großen Praxen in Anspruch genommen, die zahlreiche Betriebe betreuen.

3. „Die Tierhaltung in Deutschland deutlich verbessern“ ist ein Ziel, über das breiteste Einigkeit besteht. Den richtigen Weg dorthin zu finden, haben sich viele Tierärzte in Forschung und Praxis zur Aufgabe gemacht. Auch dass in der Putenhaltung großer Verbesserungsbedarf besteht, bestreitet noch nicht einmal der ZDG als Branchenverband.

Weiter heißt es „artgerechte Haltungen (sollen) zum Standard, den Bäuerinnen und Bauern vergütet und für Verbraucherinnen und Verbraucher klar gekennzeichnet werden.“ Leider fehlt hier jeder Hinweis, wie diese höhere Vergütung sichergestellt werden soll. Produkte aus alternativen Haltungsformen, die heute bereits im Angebot sind, lösen mit ihren höheren Preisen nur bei einem marginalen Anteil der Verbraucher einen Kaufreiz aus.

Aus den Reihen der CDU – dies nur am Rande – kam kürzlich die bemerkenswerte Forderung, den Mehraufwand für tiergerechtere Haltungsformen durch eine Umlage auf alle tierischen Produkte zu fördern.

4. „Die einseitige Zucht auf immer mehr Leistung überfordert unsere Tiere“ ist natürlich völlig richtig. Allerdings beträgt aktuell der Anteil des Komplexes „Fitness“ 55% bei der Hollstein-Friesen-Milchkuh, „Leistung“ steht mit 45% auf der Wunschliste (48% bei Braunvieh und 38 % Fleckvieh).

Und Aviagen, eines der weltweit führenden Zuchtunternehmen für Masthühner und Puten, gewichtet heute Wachstum und Futterverwertung mit 25 %, 75% der Zuchtziele machen Gesundheit, Fitness und Fleischqualität aus.

5. Diesen Punkt kann man nur in seiner Gänze unterschreiben. Und gerade in Schweinebeständen nehmen die Einzelbehandlungen deutlich zu, wie der steigende Absatz von One-Shot-Präparaten zeigt.

6. „Führt die Erfassung der Antibiotikagaben in den Betrieben zu keiner deutlichen Senkung des Verbrauchs, halten wir ein klares Minderungsziel für notwendig.“

Betriebe die zu jenen 25% gehören, die am meisten AB verbrauchen, müssen ein Minimierungskonzept vorlegen. Was sollte also anderes herauskommen als eine Reduktion insgesamt? Wenn jedes Jahr das “letzte“ Viertel der Betriebe den Antibiotikaverbrauch mindestens auf das Niveau des dritten Viertels senkt, muss der Gesamtverbrauch rein rechnerisch innerhalb von drei Jahren auf 50% des Ausgangswertes sinken.

Das Positionspapier der „GRÜNEN“ ist auf der Partei-Website zu finden. Ebenso die beiden bisher einzigen Kommentare.

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